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Don Rosa äußert sich erneut zum Verbot zweier Comics durch Disney 7
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Don Rosa äußert sich erneut zum Verbot zweier Comics durch Disney


Wie wir bereits berichteten, hat die Walt Disney Company entschieden, zwei Comics von Don Rosa für alle künftigen Veröffentlichungen zu sperren. Danach schossen die Spekulationen wild ins Kraut und es gab auch einige Fehlinterpretationen, mit denen der seit 2006 nicht mehr aktive Texter und Zeichner nun aufräumen wollte.

Unter https://www.twitlonger.com/show/n_1ss9dld ist das Statement auch als Text abrufbar. Da es unseres Wissens bislang keine Übersetzung auf Deutsch gegeben hat, übersetzen wir hier das Gros von Rosas Aussagen.

Es war so, dass die beiden Geschichten verboten worden SIND, nicht etwa so, dass ein “mögliches Verbot diskutiert wurde”. Die einzigen Diskussionsversuche gab es vonseiten der Verlage, die mir zuerst von der Situation berichtet haben und die dachten, sie könnten mit den Lizenzinhabern verhandeln. Die naheliegendste Lösung wäre es gewesen, beide Geschichten weiterhin zu drucken, aber eben mit einem Hinweis, wie es oft bei anderen Comics, oder Filmen und Fernsehshows ähnlichen Inhalts der Fall ist. Die Lizenzinhaber haben genau das selbst mit ihren eigenen Produktionen aus der Vergangenheit gemacht. Aber das amerikanische Büro dieser Firma hat kein Interesse an und keinen Respekt für Comics, weigert sich daher, das Thema zu diskutieren. Weiterhin ist es den Lizenznehmern verboten, die Situation ihren Lesern gegenüber oder öffentlich in irgendeiner Weise zu erwähnen. Sie dürfen nur anmerken, dass eine neue Wiederveröffentlichung eines Buchs “inhaltlich bearbeitet” wurde, aber nicht spezifisch sagen, was genau geändert oder weggelassen wurde. Es darf KEINE Diskussion des Themas geben.

[…]

“Lebensträume” enthält auf seinen 25 Seiten lediglich DREI Panels, in denen Bombie auftaucht. Anstatt dass die gesamte Geschichte für immer verboten wird aufgrund gerade einmal ZWEI dieser drei Panels, schlugen die Verleger vor, dass ich es ihnen erlaube, Bombie umzuzeichnen. Ich würde keine Umzeichnungen erlauben, wenn mein Name auf dem Buch steht. (Ich kann an meinen eigenen Zeichnungen herumschrauben, wenn ich einen Fehler gemacht habe, aber ich erlaube es nicht, Änderungen aufgezwungen zu bekommen.) Also schlug ich vor, dass in den beiden Panels, die das Verbot der gesamten 25-seitigen Geschichte verursachten, Bombie so erscheinen soll wie im ERSTEN Panel der Sequenz… als schwarze Silhouette ohne sonstige Eigenschaften. Wie das Schwarze Phantom. Wer oder was Bombie ist, hat rein gar nichts mit dem Plot der Geschichte zu tun, außer dass er etwas oder jemanden repräsentiert, an den sich Donald erinnert und deswegen Panik bekommt. Leser wissen, wer Bombie ist; wie er in der Traumsequenz wahrgenommen wird, ist nicht wichtig für die Geschichte.

Das elfte Kapitel von SLSM ist ein etwas anderes Problem. Bombie ist der zentrale Charakter jenes wichtigsten Kapitels der Serie; er repräsentiert die gerechte Bestrafung für den einen gierigen und bösartigen Akt, den Dagobert in seinem Leben begeht, ein Verbrechen, das ihn für Dekaden verfolgt und schließlich dazu führt, dass er die Richtung seines Lebens überdenkt und ändert. Im literarischen Sinne á la Shakespeare ist Kapitel 11 die KLIMAX des SLSM-Epos. Kapitel 1-10 sind die aufsteigende Handlung. Kapitel 11 ist der Höhepunkt. Kapitel 12 ist die abfallende Handlung, die zur Schlussszene führt und das Narrativ komplettiert. Daher sind jegliche zukünftige Veröffentlichungen oder Nachdrucke der gesammelten SLSM-Serie als Buch für sich nun unmöglich. Was Nachdrucke der DON ROSA LIBRARY, momentan in vielen Ländern erhältlich, angeht: Band 5 wird entweder nicht mehr nachgedruckt ODER es werden 25-30 Seiten fehlen aufgrund der Verbannung von “Der Großmagnat aus Calisota” [Anm. d. Red.: Auf Deutsch auch als “Der Geschäftsmann ohne Gewissen” und “Der gewissenlose Geschäftsmann aus Entenhausen” bekannt] und meiner Abhandlung zur Kreation jener Geschichte. Anstelle dessen wird es ein… irgendwie gelagertes “Bonusfeature” geben. Vielleicht Storyboard-Seiten von (naheliegend) einem der *anderen* SLSM-Kapitel. Der schwierige Part ist, wie der Verlag erklären kann, was los ist, da KEINE Erklärung erlaubt ist. Sie dürfen nur etwas sagen wie “dies ist ein Nachdruck einer früheren Ausgabe. Es haben Bearbeitungen stattgefunden”. Das ist alles.

Meine ursprüngliche Idee wäre gewesen, Band 5 einfach nicht mehr nachzudrucken, oder mit entferntem Inhalt nachzudrucken, aber ohne meinen Namen und meine Texte auf und im Buch. Das würde bedeuten, dass es weiterhin DON ROSA LIBRARY 1-4 und 6-10 sowie ONKEL DAGOBERT UND DONALD DUCK 5 gäbe. Aber ich wurde davon überzeugt, dass das Duck-Fans (wie auch die lizenzierten Verlage) weniger glücklich machen würde als die andere Idee, die verbotene Geschichte mit irgendeinem “Bonus” zu ersetzen. Die komplette Ausgabe der DRL nie mehr zu veröffentlichen, wäre genauso extrem und unvernünftig wie das Originalproblem. Aber natürlich sind die Leser der DRL Erwachsene und nicht dumm. Sie werden merken, was vor sich geht. Also… denke ich, das ist die beste Option.”

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Rosa schloss sein Statement zwar damit ab, dass das sein letztes Wort zu dieser Angelegenheit gewesen sein soll – aber kurz darauf postete er bei Facebook, dass auch sein Vorschlag zum Umgang mit Bombie in “Lebensträume” nicht akzeptiert wurde.


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Ein Panel aus “Lebensträume”.
© Disney / Egmont Ehapa
von Don McDuck

“Die Lösungen, die ich oben beschrieb, waren ein letzter verzweifelter Versuch der Verleger, “Lebensträume” weiterhin veröffentlichen zu können, mit zwei total harmlos “umgedachten” Panels. Aber das wurde abgelehnt. Nun überlegen wir uns etwas Anderes.
“Der Großmagnat aus Calisota”, SLSM Kapitel 11, ist komplett gesperrt, keine weitere Diskussion.
Und wie ich erwähnte, ist es den armen Verlegern untersagt, IRGENDWAS hiervon öffentlich mit IRGENDJEMANDEM zu besprechen. […]

Allzu viel neue Information ist da insgesamt also nicht dabei, aber zumindest zwei Punkte sind erwähnenswert:

  1. Rosas Vorschlag zur Güte, Bombie in den zwei Panels von “Lebensträume” durch eine Silhouette zu ersetzen, wurde abgelehnt.
  2. Die betroffenen Verlage dürfen nicht darüber reden, bekommen also den schwarzen Peter zugeschoben. Das lässt schon tief blicken.
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Letzteres erklärt vermutlich auch, warum sich Jano Rohleder nicht äußert, ist er doch in verschiedener Kapazität für Egmont tätig und könnte mit einer Äußerung womöglich Egmont in Schwierigkeiten bringen. Hierfür spräche auch, dass Rosas Twitter-Bio mittlerweile anders aussieht als früher:

Beides verkompliziert die Lage ziemlich. Ich gehe davon aus, dass kein Verlag seine Disney-Lizenz verlieren will und sich daher alle an die Vorgaben halten werden, auch wenn es hinter den Kulissen sicher viel Unmut gibt.


Der Schaden, den Disney damit der Comicsparte und seinen Lizenznehmern antut, dürfte nämlich immens sein: Rosa und Barks sind nach wie vor die größten Zugpferde, die man hat (zumindest bei uns – in Italien käme noch Scarpa dazu). Die Verkäufe von Barks- und Rosa-Ausgaben galten bislang als sichere Bank, mittels derer auch weniger populäre Projekte wie etwa die Floyd Gottfredson Library mitfinanziert wurden.

Egmont steckt damit in einer Zwickmühle. Entweder man setzt sich großer Kritik aus, auf die man nicht reagieren darf (durch eine Neuauflage von “Sein Leben, Seine Milliarden” sowie die “LTB Classic”-Reihe ohne das elfte Kapitel der Serie) oder man verzichtet auf die Einnahmen. Geld ist natürlich immer ein starkes Argument, weshalb Option 1 wahrscheinlicher ist.

Das Seltsamste an dieser ganzen Sache ist ja, dass Disney hiermit eine lange gültige Regelung über den Haufen geworfen hat. Dinge, die in Kioskprodukten nicht mehr erlaubt waren, wurden in Buchhandelsprodukten weiterhin geduldet. Anders wäre z.B. die Gottfredson-Library gar nicht möglich gewesen (die ich übrigens wärmstens empfehle, falls das noch nicht klar geworden sein sollte!).


In den USA wurde das so gehandhabt, dass die Hefte von IDW gerne mal zensiert waren (z.B. Pistolen), die Hardcover-Sammelausgaben jedoch nicht. Bei Letzteren ging man bislang davon aus, dass diese eher von gut situierten Personen (sprich Erwachsenen) gekauft werden, die mittlerweile verpönte Darstellungen eher einordnen können. (Seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie gab es allerdings in den USA keine regulären Disney-Magazine mehr, was vielleicht auch dazu beigetragen hat, dass diese Aufteilung hinfällig wurde.)

Ein Anzeichen dafür, dass diese Handhabe nicht mehr gültig ist, gab es zuerst, als plötzlich der “Stories matter”-Hinweis auch in LTB-Reihen auftauchte – wohlgemerkt im Impressum, das kaum jemand liest. Dass ein solcher 0815-Hinweis einen einordnenden Kommentar wie in der Gottfredson-Library nicht mal ansatzweise ersetzen kann, versteht sich natürlich von selbst.

Ein anderes Beispiel dafür, wie Disney hier seinen Lizenznehmern die Arbeit immer schwerer macht, ist die geplante Box zum 100. Jubiläum der Disney-Company, welche offenbar wieder die ersten zehn Lustigen Taschenbücher nachdrucken soll (ja, die Box zum 50. LTB-Jubiläum ist schon sechs Jahre her). Da gibt es teilweise Szenen und Geschichten, die viel fragwürdiger und ja, rassistischer sind als alles von Rosa. Was will der Verlag tun, wenn ein paar Monate vor Veröffentlichung verordnet wird, dass diese oder jene Geschichte nicht mehr erlaubt ist?


Momentan liegt Kapitel 11 von SLSM im Inducks übrigens auf einem stolzen 57. Rang der besten Disney-Comics aller Zeiten. Die momentane Platzierung hat auch etwas mit dem Verbot zu tun: 2017 etwa war sie nicht in den Top 100, allerdings immerhin die achtbeste Geschichte der 1990er.

Die andere zensierte Geschichte, “Lebensträume”, steht momentan auf Platz 36 – ist jedoch seit Jahren durchgängig in den Top 50 (und war 2017 auch auf Platz 2 der besten Geschichten von 2000 bis 2009).

Zum Vergleich: “Dumbos große Nummer”, die wegen Gevatter Fuchs’ Herkunft aus “Onkel Remus’ Wunderland” (“Song of the South”) gestrichene, von Barks gezeichnete (aber nicht geschriebene) Geschichte, ist gerade mal auf Platz 24123 (nur sieben von Barks gezeichnete Geschichten sind schlechter bewertet). Dass der Aufschrei da noch deutlich moderater ausfiel, sollte selbsterklärend sein. Auch die Fanbase von Klein Adlerauge – noch ein Charakter, der nicht mehr publiziert wird – dürfte eher klein sein.


Und natürlich sind redaktionelle Eingriffe auch nichts Neues. Gerade Bombie ist dafür sogar ein gutes Beispiel, denn Barks’ ursprüngliches Design wurde bereits vor Jahren geändert, um weniger rassistisch zu wirken (wie ironisch). Es ist diese überarbeitete Version, die Rosa später in seinen Comics verwendet hat:

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Aber jetzt macht Disney sein Tafelsilber kaputt – man kann es kaum anders sagen. Rosa greift Disney übrigens in seinem Statement subtil an, indem er den Namen “Disney” kein einziges Mal verwendet, sondern immer nur von den “Lizenzinhabern” und “the company” spricht. Das passt dazu, dass Rosa die Ducks nie wirklich als Disney-Figuren gesehen hat, sondern eher als Barks-Charaktere.

Man muss natürlich bedenken, dass es in den USA historisch bedingt eine andere Sensibilität gibt, was den Umgang mit Schwarzen und Ureinwohnern angeht. Aber kritisiert wird der Ban auch von Amerikanern, wenngleich Disney-Comics in ihrem Ursprungsland längst nicht denselben Stellenwert haben wie bei uns.


Persönlich ärgert es mich auch, dass Disney mit Aktionen wie diesen das Vorurteil der “linken, woken Cancel Culture” bestätigt. Damit stärkt man ironischerweise letztlich auch rechte Demagogen wie Disneys Gegenspieler in Florida, Ron DeSantis, der kein Problem damit hat, Rechte von Minderheiten einzuschränken. Aber das ist ein Thema für sich.

Die Veröffentlichung des letzten Schubers mit Band 9 und 10 der deutschen Don Rosa Library * (“Lebensträume” wäre in Band 10, und Egmont veröffentlicht immer zwei Bände gleichzeitig im Schuber) ist derweil in den November verschoben worden – ich befürchte, dass es nicht die letzte Verschiebung gewesen sein wird.

Das LTB Classic Don Rosa (mMn eh eine Schnapsidee, aber mich fragt ja niemand…) wiederum ist in der neuen Verlagsvorschau gar nicht mehr enthalten; damit würde ich also in absehbarer Zeit nicht rechnen.


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Spectaculus

Ich lese Comics, seit ich denken kann - oder vielleicht sogar noch länger.
Ansonsten bin ich ein großer Musikfan und mache mir ständig Gedanken über alles und jeden.

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