Wie wir bereits berichteten, hat die Walt Disney Company entschieden, zwei Comics von Don Rosa für alle künftigen Veröffentlichungen zu sperren. Danach schossen die Spekulationen wild ins Kraut und es gab auch einige Fehlinterpretationen, mit denen der seit 2006 nicht mehr aktive Texter und Zeichner nun aufräumen wollte.
Unter https://www.twitlonger.com/show/n_1ss9dld ist das Statement auch als Text abrufbar. Da es unseres Wissens bislang keine Übersetzung auf Deutsch gegeben hat, übersetzen wir hier das Gros von Rosas Aussagen.
Rosa schloss sein Statement zwar damit ab, dass das sein letztes Wort zu dieser Angelegenheit gewesen sein soll – aber kurz darauf postete er bei Facebook, dass auch sein Vorschlag zum Umgang mit Bombie in “Lebensträume” nicht akzeptiert wurde.
Allzu viel neue Information ist da insgesamt also nicht dabei, aber zumindest zwei Punkte sind erwähnenswert:
- Rosas Vorschlag zur Güte, Bombie in den zwei Panels von “Lebensträume” durch eine Silhouette zu ersetzen, wurde abgelehnt.
- Die betroffenen Verlage dürfen nicht darüber reden, bekommen also den schwarzen Peter zugeschoben. Das lässt schon tief blicken.
Letzteres erklärt vermutlich auch, warum sich Jano Rohleder nicht äußert, ist er doch in verschiedener Kapazität für Egmont tätig und könnte mit einer Äußerung womöglich Egmont in Schwierigkeiten bringen. Hierfür spräche auch, dass Rosas Twitter-Bio mittlerweile anders aussieht als früher:
Beides verkompliziert die Lage ziemlich. Ich gehe davon aus, dass kein Verlag seine Disney-Lizenz verlieren will und sich daher alle an die Vorgaben halten werden, auch wenn es hinter den Kulissen sicher viel Unmut gibt.
Der Schaden, den Disney damit der Comicsparte und seinen Lizenznehmern antut, dürfte nämlich immens sein: Rosa und Barks sind nach wie vor die größten Zugpferde, die man hat (zumindest bei uns – in Italien käme noch Scarpa dazu). Die Verkäufe von Barks- und Rosa-Ausgaben galten bislang als sichere Bank, mittels derer auch weniger populäre Projekte wie etwa die Floyd Gottfredson Library mitfinanziert wurden.
Egmont steckt damit in einer Zwickmühle. Entweder man setzt sich großer Kritik aus, auf die man nicht reagieren darf (durch eine Neuauflage von “Sein Leben, Seine Milliarden” sowie die “LTB Classic”-Reihe ohne das elfte Kapitel der Serie) oder man verzichtet auf die Einnahmen. Geld ist natürlich immer ein starkes Argument, weshalb Option 1 wahrscheinlicher ist.
Das Seltsamste an dieser ganzen Sache ist ja, dass Disney hiermit eine lange gültige Regelung über den Haufen geworfen hat. Dinge, die in Kioskprodukten nicht mehr erlaubt waren, wurden in Buchhandelsprodukten weiterhin geduldet. Anders wäre z.B. die Gottfredson-Library gar nicht möglich gewesen (die ich übrigens wärmstens empfehle, falls das noch nicht klar geworden sein sollte!).
In den USA wurde das so gehandhabt, dass die Hefte von IDW gerne mal zensiert waren (z.B. Pistolen), die Hardcover-Sammelausgaben jedoch nicht. Bei Letzteren ging man bislang davon aus, dass diese eher von gut situierten Personen (sprich Erwachsenen) gekauft werden, die mittlerweile verpönte Darstellungen eher einordnen können. (Seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie gab es allerdings in den USA keine regulären Disney-Magazine mehr, was vielleicht auch dazu beigetragen hat, dass diese Aufteilung hinfällig wurde.)
Ein Anzeichen dafür, dass diese Handhabe nicht mehr gültig ist, gab es zuerst, als plötzlich der “Stories matter”-Hinweis auch in LTB-Reihen auftauchte – wohlgemerkt im Impressum, das kaum jemand liest. Dass ein solcher 0815-Hinweis einen einordnenden Kommentar wie in der Gottfredson-Library nicht mal ansatzweise ersetzen kann, versteht sich natürlich von selbst.
Ein anderes Beispiel dafür, wie Disney hier seinen Lizenznehmern die Arbeit immer schwerer macht, ist die geplante Box zum 100. Jubiläum der Disney-Company, welche offenbar wieder die ersten zehn Lustigen Taschenbücher nachdrucken soll (ja, die Box zum 50. LTB-Jubiläum ist schon sechs Jahre her). Da gibt es teilweise Szenen und Geschichten, die viel fragwürdiger und ja, rassistischer sind als alles von Rosa. Was will der Verlag tun, wenn ein paar Monate vor Veröffentlichung verordnet wird, dass diese oder jene Geschichte nicht mehr erlaubt ist?
Momentan liegt Kapitel 11 von SLSM im Inducks übrigens auf einem stolzen 57. Rang der besten Disney-Comics aller Zeiten. Die momentane Platzierung hat auch etwas mit dem Verbot zu tun: 2017 etwa war sie nicht in den Top 100, allerdings immerhin die achtbeste Geschichte der 1990er.
Die andere zensierte Geschichte, “Lebensträume”, steht momentan auf Platz 36 – ist jedoch seit Jahren durchgängig in den Top 50 (und war 2017 auch auf Platz 2 der besten Geschichten von 2000 bis 2009).
Zum Vergleich: “Dumbos große Nummer”, die wegen Gevatter Fuchs’ Herkunft aus “Onkel Remus’ Wunderland” (“Song of the South”) gestrichene, von Barks gezeichnete (aber nicht geschriebene) Geschichte, ist gerade mal auf Platz 24123 (nur sieben von Barks gezeichnete Geschichten sind schlechter bewertet). Dass der Aufschrei da noch deutlich moderater ausfiel, sollte selbsterklärend sein. Auch die Fanbase von Klein Adlerauge – noch ein Charakter, der nicht mehr publiziert wird – dürfte eher klein sein.
Und natürlich sind redaktionelle Eingriffe auch nichts Neues. Gerade Bombie ist dafür sogar ein gutes Beispiel, denn Barks’ ursprüngliches Design wurde bereits vor Jahren geändert, um weniger rassistisch zu wirken (wie ironisch). Es ist diese überarbeitete Version, die Rosa später in seinen Comics verwendet hat:
Aber jetzt macht Disney sein Tafelsilber kaputt – man kann es kaum anders sagen. Rosa greift Disney übrigens in seinem Statement subtil an, indem er den Namen “Disney” kein einziges Mal verwendet, sondern immer nur von den “Lizenzinhabern” und “the company” spricht. Das passt dazu, dass Rosa die Ducks nie wirklich als Disney-Figuren gesehen hat, sondern eher als Barks-Charaktere.
Man muss natürlich bedenken, dass es in den USA historisch bedingt eine andere Sensibilität gibt, was den Umgang mit Schwarzen und Ureinwohnern angeht. Aber kritisiert wird der Ban auch von Amerikanern, wenngleich Disney-Comics in ihrem Ursprungsland längst nicht denselben Stellenwert haben wie bei uns.
Persönlich ärgert es mich auch, dass Disney mit Aktionen wie diesen das Vorurteil der “linken, woken Cancel Culture” bestätigt. Damit stärkt man ironischerweise letztlich auch rechte Demagogen wie Disneys Gegenspieler in Florida, Ron DeSantis, der kein Problem damit hat, Rechte von Minderheiten einzuschränken. Aber das ist ein Thema für sich.
Die Veröffentlichung des letzten Schubers mit Band 9 und 10 der deutschen Don Rosa Library * (“Lebensträume” wäre in Band 10, und Egmont veröffentlicht immer zwei Bände gleichzeitig im Schuber) ist derweil in den November verschoben worden – ich befürchte, dass es nicht die letzte Verschiebung gewesen sein wird.
Das LTB Classic Don Rosa (mMn eh eine Schnapsidee, aber mich fragt ja niemand…) wiederum ist in der neuen Verlagsvorschau gar nicht mehr enthalten; damit würde ich also in absehbarer Zeit nicht rechnen.
2 Kommentare
Gott sei Dank kann ich die komplette Hall of Fame von Don Rosa und Dagobert Duck Sein Leben, seine Milliarden ohne Zensur mein eigen nennen.
Generell denke ich, dass man noch nicht den idealen Weg gefunden hat, wie man mit aus heutiger Sicht problematischen Inhalten umgehen soll – ein durchaus gangbarer Weg wird im Artikel hier aber erwähnt, nämlich die Veröffentlichung mit Kommentar und für ein Publikum, dass die Geschichten in ihren zeitlichen Rahmen einordnen kann.
Was Disney hier aber macht, ist m.E. ganz sicher nicht der richtige Weg – die Geschichten werden pauschal verboten, die Verlage dürfen sich nicht äußern, und der durchschnittliche Käufer bekommt vom Ganzen nichts mit, wundert sich aber dann über die unvollständigen Ausgaben.
Ich bin gespannt, wie sich das Ganze um Rosas Geschichten noch entwickelt. Mich betrifft es diesmal nicht, weil ich mit der Don-Rosa-Collection bereits eine Gesamtausgabe seines Werkes habe.
Mit der Nicht-Mehr-Veröffentlichung von Klein Adlerauge bin ich persönlich auch nicht glücklich, aber das ist ein anderes Thema…