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"Ein Paukenschlag": Disney weigert sich offenbar, Don Rosa-Geschichten weiterhin zu zeigen 1
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“Ein Paukenschlag”: Disney weigert sich offenbar, Don Rosa-Geschichten weiterhin zu zeigen


Disney möchte nach neuesten Angaben einige Geschichten, aktuell sind zwei bekannt, vom Zeichner Don Rosa nicht mehr veröffentlichen. Das ist falsch und gefährlich, findet unser Autor Spectaculus in seinem Kommentar.

Ein Paukenschlag war das, und dann auch noch ausgerechnet am Valentinstag!

Zunächst: Die Diskrepanz zwischen dem riesigen Mutterkonzern Disney mit seinen recht restriktiven inhaltlichen Vorgaben und den, besonders in den USA mittlerweile eher unbedeutenden, Disney-Comics hat in den letzten Jahren immer weiter zugenommen.

Kein neues Phänomen bei Disney Comics

Besonders italienische Künstler haben bereits darunter gelitten, dass z.B. eine Angel zu einer Fotokamera umretuschiert werden musste (was nur bedingt Sinn ergibt) oder die lange ersehnte Fortsetzung zu “Im Strudel der Zeit” von Francesco Artibani, Tito Faraci und Corrado Mastantuono kurzfristig aus dem Topolino zu Mickys Geburtstag genommen werden musste (die Geschichte erschien erst jetzt als Hardcover).


Und auch, dass man den Film Song of the South so wenig leiden kann, dass auch die Comicfiguren daraus wie Hansi Hase nie mehr verwendet werden dürfen, war schon grenzwertig.

Immerhin führte das dazu, dass beim Nachdruck der amerikanischen Carl Barks Library die Geschichte “Dumbos großer Tag” (in der Erstauflage noch enthalten) entfernt wurde, weil Gevatter Fuchs eben auch zu diesem Universum gehört.

Änderungen an den deutschen Versionen von Barks-Comics haben letztes Jahr auch schon für Aufmerksamkeit (sogar z.B. in der FAZ) gesorgt, da die Übersetzungen von Dr. Erika Fuchs nicht nur für Donaldisten sakrosankt sind.


Jetzt sind zwei Don-Rosa-Geschichten betroffen

Aber die jüngste Neuigkeit aus dem Hause Disney ließ selbst Fans, die diese Eigenarten schon gewohnt waren, mit den Ohren schlackern. Man zensiert jetzt allen Ernstes Sein Leben, Seine Milliarden – immerhin einen der beliebtesten Disney-Comics und auch außerhalb von Disney-Fankreisen als Meisterwerk anerkannt! (Siehe auch unseren Artikel zu Dagobert Ducks Geburtstag).

Zwei Don-Rosa-Geschichten sollen nicht mehr publiziert werden
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Autor und Zeichner Don Rosa, der bereits seit 2006 im Ruhestand ist, aber nach wie vor sein Werk verwaltet, gab die niederschmetternde Nachricht in seiner Facebook-Gruppe bekannt.

“I received an e-mail from one of my many publishers:

****************

As part of its ongoing commitment to diversity and inclusion, The Walt Disney Company is in the process of reviewing their library of stories.
As a result of this, some stories that do not align with their values will no longer be published. This applies to two of your classic stories, “The Richest Duck in the World” and “The Dream of a Lifetime”. These stories will not be part of any reprints or new collections.

*****************

I wonder what other Duck stories are now banned? Maybe only mine? Maybe not?
But obviously all 12 chapters of my Lo$ are now banned because they can’t be published without the final chapter.
I won’t even comment on what this will mean to the collector market.”

Don Rosa auf Facebook

Auf eine Nachfrage stellte sich heraus, dass Kapitel 11 gemeint war, nicht das letzte (die englischen Titel sind hier etwas verwirrend). Und die Gemeinsamkeit der beiden Comics ist Bombie der Zombie, eine von Carl Barks in der frühen Dagobert-Geschichte “Wudu-Hudu-Zauber” eingeführte Figur.


Das Panel aus Kapitel 11 von Don Rosas "Sein Leben, Seine Milliarden", in dem der junge Dagobert den Zombie Bombie zum ersten Mal sieht.
© Disney

Dass die Figur bei Disney als problematisch gilt, überrascht nun nicht wirklich. Aber dass man es in Kauf nimmt, ein Gesamtkunstwerk deswegen effektiv zu “verbieten” (eine unvollständige Veröffentlichung von SLSM ohne Kapitel 11 ist kaum vorstellbar), ist schon ein starkes Stück. Dabei ist Don Rosas Umgang mit der Thematik um ein Vielfaches fortschrittlicher als die Darstellung des afrikanischen Stammes bei Carl Barks.

Don Rosa stellt hier den Umgang des aufstrebenden Dagobert mit den Eingeborenen als verwerflich dar und liefert damit eine Kritik des Kolonialismus. Aber um die Aussage scheint es Disneys Kontrollbehörde nicht zu gehen, sondern rein um die Figur an sich.

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Beitrag von Don Rosa:

Bence is right. Some European publishers refer to chapter 11 as "The Richest Duck in the World". I forgot that. So, THAT'S the chapter that's banned.

And *obviously* the common ingredient in both those stories is Bombie.
Don Rosa äußert sich auf Facebook

Ganz neu sind derartige Sperenzchen jetzt auch nicht für Rosa: Als der die Zwergindianer von Barks in einer Geschichte verwendete, wollte Disney, dass er sie in blaue Waldgeister umzeichnet.


Damals hat Rosa sich durchgesetzt, aber wie die Geschichte jetzt ausgeht, ist mir völlig unklar. Das Ganze könnte auch für den deutschen Markt weitreichende Folgen haben: Nach der Barks-Gesamtausgabe ist unter dem Label LTB Classic Edition auch eine Reihe mit Rosa-Comics geplant.

Wird man die zwei Comics dann dort überspringen müssen? Auch sind Band 9 und 10 der Hardcover-Library immer noch nicht erschienen (was an einem krankheitsbedingten Ausfall von Don Rosas rechter Hand Jano Rohleder lag); die Box mit beiden Bänden soll jetzt im April erscheinen, ebenso der einzelne Band 9, während der separate Band 10 (in dem “Lebensträume” enthalten sein sollte) für den Juli angekündigt ist.

Man kann nur hoffen, dass hier irgendeine Kulanzregelung greift, die es möglich macht, diese Bände noch wie geplant zu veröffentlichen. Noch besser wäre es natürlich, wenn irgendjemand bei Disney ein Einsehen hat, wie absurd diese Entscheidung ist, und das schnellstmöglich rückgängig macht. Immerhin stehen sowohl Der Geschäftsmann ohne Gewissen bzw. Der Großmagnat aus Calisota als auch Lebensträume in den Top 100 der besten Disney-Comics überhaupt.


Natürlich kann man einwenden, dass Rosas Comics zu den am häufigsten veröffentlichten gehören und nun nicht von der Bildfläche verschwinden werden.

Dennoch ist es sehr fragwürdig, eine so beliebte Reihe durch diesen Eingriff für zukünftige Veröffentlichungen zu blockieren. Und da Rosa zu den beliebtesten Disney-Künstlern zählt, wird es den Lizenznehmern in den verschiedenen Territorien wirtschaftlichen Schaden zufügen, hinzu kommt der Zorn der Fans. Ob man das so durchdacht hat?

Zudem führt dieser Schritt das Motto hinter “Stories matter” ad absurdum: Sollten durch diesen Disclaimer doch eigentlich “problematische” Darstellungen kontextualisiert werden, ohne die betreffenden Comics unter den Teppich zu kehren. Eines der anerkanntesten Werke im Disneykosmos (immerhin mit dem Will Eisner Award ausgezeichnet!) zu blockieren, ist ein schwerer Schlag.


Ein offizielles Statement von Don Rosa, Egmont Ehapa oder einem anderen Verlag gab es bislang nicht.

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Spectaculus

Ich lese Comics, seit ich denken kann - oder vielleicht sogar noch länger.
Ansonsten bin ich ein großer Musikfan und mache mir ständig Gedanken über alles und jeden.

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