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"The Property of Hate" (Webcomic) 3

“The Property of Hate” (Webcomic)

Bereits seit zehn Jahren läuft “The Property of Hate”, der Webcomic der talentierten Zeichnerin Sarah Jolley.


Einleitung

Wer den Bertel-Express liest, der kennt auch Sarah Jolley (alias “modmad”), die seit Ausgabe 30 im Fanmagazin vertreten ist. Ihre Duck-Fancomics gehören zum Besten, was es an inoffiziellen Geschichten im Disneybereich gibt – einfallsreicher als vieles, was von offiziellen Autoren so erdacht wird. Deswegen hat der Bertel-Express ihr auch schon ein komplettes Special gewidmet. Mein einziger Beitrag war die Übersetzung des Interviews mit ihr.

Aber wovon ich damals noch nicht viel Ahnung hatte, war, dass sie bereits seit 2012 ihren eigenen Comic am Laufen hat. Er heißt “The Property of Hate” – hier geht es zur ersten Seite. Vom Titel sollte man sich nicht abschrecken lassen; dies ist sicher einer der besten Webcomics überhaupt. Manchmal düster, manchmal lustig, aber immer spannend.

Kurz gesagt: Ein merkwürdiger Typ namens RGB, der keinen sichtbaren Körper, dafür einen Fernseher anstelle eines Kopfes hat, taucht bei einem Mädchen auf und fragt sie, ob sie ein Held sein will. Als sie das bejaht, nimmt er sie mit in eine so faszinierende wie gefährliche Welt mit und beide erleben diverse Abenteuer beim Versuch, die “world of make believe” vor dem zersetzenden Einfluss von Hate (Hass) zu retten.


Das ist allerdings nur eine sehr rudimentäre Beschreibung, welche die Essenz von TPoH nicht wirklich wiedergibt. Da wären zum einen die beeindruckenden Zeichnungen, die deutlich machen, wieso Jolley ihre Duckgeschichten nur als “doodles” bezeichnet. Ihre (hauptsächlich digitale) Arbeit mit verschiedenen Texturen, Malwerkzeugen, Sprechblasenstilen und Schriftarten setzt Maßstäbe. Die frühen Seiten sind zwar bereits sehr schön, wirken aber verglichen mit späteren Kapiteln noch ein wenig unausgereift. Besonders der immer adrett gekleidete RGB hat sich seit seinen Anfängen ganz schön gemausert und genießt nicht ohne Grund bei Tumblr einen legendären Ruf. So sehr, dass Jolley einen eigenen Tumblr-Sideblog für Fanart eingerichtet hat.

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Von Anfang an gibt es aber fantastische Landschaften.

Eine der ersten Seiten von "The Property of Hate". Die Heldin tritt durch die Tür und schaut auf die berückende Welt der Fantasie.
Der erste Blick in die Welt von TPoH

Genauso fantasievoll und vielfältig wie die diversen Gegenden dieser Traumwelt (z.B. die Wüste des Bedauerns oder das Elastische Tal) ist das Charakterkabinett, das Jolley aufbietet. Da wären neben den diversen Kreaturen, die verschiedene Gemütszustände oder Konzepte repräsentieren (z.B. Lügen, Zweifel oder Ängste) Figuren wie der schmierige Dial, der sarkastische bis zynische TOby (nein, das ist kein Tippfehler) und der unbarmherzige Click, aber auch die spektakuläre, komplett aus Musikinstrumenten bestehende Melody, und die Lieblingsfigur vieler Fans – Assok!


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Braucht man gar nicht groß zu erklären

Von Assok gibt es sogar eine real existierende Sockenpuppe, die Jolley geschenkt bekommen hat.

Fans organisieren zudem Aktionen wie “The Telephone of Hate” (miteinander verknüpfte Zeichnungen) und “The Property of May” (Zeichnungen zu einem bestimmten Stichwort). Generell findet sich vieles an tollen Fanzeichnungen unter dem entsprechenden Tag bei Tumblr.

Da Jolley selbst Fan von vielen Comics, Filmen, Serien und Videospielen ist, hat sie damit logischerweise kein Problem. Zwei Charaktere, die in The Property of Hate eine Rolle spielen, stammen sogar gar nicht von ihr (Madras sowie Magnus, der allerdings keine besonders wichtige Rolle im Comic hat). Eine Zeitlang bot sie auch Cameo-Auftritte von Originalcharakteren in TPoH gegen Geld an (besonders in den Marktszenen kamen diese zum Einsatz). Allerdings bittet sie darum, ihr keine Storyideen oder Theorien zu schicken, um sicherzugehen, dass sie nicht aus Versehen die Ideen Anderer plagiiert.


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Das Erstaunlichste an “The Property of Hate” ist, dass die Geschichte auf mehreren Ebenen funktioniert. Einerseits ist es einfach eine sehr inspirierte Fantasy-Story mit einer unglaublich lebendigen und in sich stimmigen Welt, andererseits bietet sie immer wieder großartige Wortspiele und Anspielungen, sowie Kommentare zum Zeitgeschehen. Dramatische Szenen sind beinahe an der Tagesordnung. Mit wilder Action hält sich Jolley dagegen eher zurück, was aber nicht heißen soll, dass die nicht vorkommt.

Es gibt tausend kleine Details, die man bewundern kann- gewissermaßen Easter-Eggs wie z.B. die Tatsache, dass ausgerechnet auf Seite 404 RGB eine Fehlermeldung auf seinem Bildschirm anzeigt. Und es lohnt sich, den Comic mehrfach zu lesen, weil man immer noch Neues entdecken kann. So gibt es beispielsweise auf den ersten paar Seiten bereits Andeutungen von Dingen, die erst viel später im Comic auftauchen. Wie Jolley es hinbekommt, eine derart komplexe Geschichte (inklusive eines Zeitsprunges, der auch das große Ganze beeinflusst) konsistent zu halten, ringt mir einfach nur Bewunderung ab. Anscheinend hat sie zwar nicht alle Details, aber einen groben Handlungsverlauf (+ Notizen zu den diversen Figuren) bereits (innerhalb von drei Tagen) im zarten Alter von 22 komplett geschrieben, und zeichnet sozusagen Seite für Seite “streng nach Plan”.

Veröffentlichung

Während Jolley “The Property of Hate” zunächst bei Webcomic-Hostern wie ComicFury und SmackJeeves hochlud, eröffnete sie später ihre eigene Seite. Zunächst unter thepropertyofhate.com (mittlerweile nicht mehr online), jetzt als jolleycomics.com, wo auch noch Platz für ein paar andere Dinge ist, u.a. auch die ursprünglichen englischen Versionen ihrer “Duck-Doodles”.


Die Seite ist toll gestaltet. Ein klein wenig ärgerlich ist es allerdings, dass es keinen Vollbild-Modus gibt – besonders bei der reduzierten Bildschirmfläche eines Smartphones etwas unpraktisch.

Eine deutsche Übersetzung existiert zwar, allerdings hat die es leider bislang nicht über Seite 49 hinausgeschafft. Den Comic zu übersetzen, halte ich für ein sehr schwieriges Unterfangen. Viele Elemente basieren auf Wortspielen (darunter ein paar recht verwinkelte wie “heart”/”hart” – Letzteres ein Begriff für männliche Hirsche und Rehe, den ich vor dem Lesen von TPoH gar nicht kannte). Jolley betreibt schwer übersetzbaren Schabernack mit Pronomina und Geschlechtern (der titelgebende Hass ist hier weiblich, und die Hauptfigur wird immer nur als “Hero” angesprochen, was in seiner Austauschbarkeit genau so gedacht ist, auf Deutsch mit den Begriffen “Held” und “Heldin” aber weniger gut funktioniert)

Und bei den vielen Zitaten und Anspielungen auf diverse Kulturgüter von “Kleiner Niemand” über “Der Zauberer von Oz” bis “Die unendliche Geschichte” und “Doctor Who” würde ich als Übersetzer vermutlich kapitulieren. Das soll nicht heißen, dass man den Comic nicht ohne Vorwissen genießen kann, aber ein paar Dinge werden wohl den meisten Leser*innen entgehen. Immerhin… aus dem Dialog “‘It’s daylight robbery!’ – ‘You want to wait until night?‘” “‘Das ist Halsabschneiderei!’ – ‘Du hast keinen Hals‘” zu machen, ist ziemlich genial.


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“a little white lie”

Daher empfehle ich auch, den Comic bei ComicFury (bis S. 155) zu lesen (hier gibt es auch eine hübsche Seite, die m.W. sonst nirgends zu sehen ist) und ebenfalls auf der mittlerweile abgeschalteten Seite SmackJeeves (hier wurde zwar nicht alles archiviert, aber das lässt sich ja gut durch die offizielle Website ausgleichen). Die Beobachtungen aus den Kommentaren sind einfach enorm hilfreich. Ähnliches findet sich auch bei Tumblr, aber weniger übersichtlich.

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So ging es 2012 los!

Gemessen daran, wie klein der Comic angefangen hat, muss man auf jeden Fall von einem Riesenerfolg sprechen. Es hat sicher auch viel damit zu tun, dass hier eine Künstlerin ihre Vision wie getrieben umsetzt und diese trotz mannigfaltiger Einflüsse für sich steht. Wenn alles nach Plan läuft, gibt es jeden Sonntag eine neue Seite.

Die Achillesferse ist Jolleys Gesundheit. Sie hat das Ehlers-Danlos-Syndrom und kämpft immer mal wieder mit chronischen Schmerzen – einige Seiten hat sie sogar mit der linken Hand (als Rechtshänderin!!) gezeichnet! Zudem warf sie dann 2021 auch noch ein Burnout aus der Bahn. Umso erstaunlicher eigentlich, dass der Comic mittlerweile schon fast 500 teils wunderschön gezeichnete Seiten hat. Trotzdem kann man auch die gelegentliche Frustration mancher Fans verstehen, zumal momentan noch nicht abzusehen ist, wann der Comic mal beendet sein wird. Es heißt also weiter geduldig sein.


“The Property of Hate, Volume 3”: Fundraiser

Gerade läuft noch bis 22. Juni ein Fundraiser – wenn genügend Geld zusammenkommt, gibt es ein drittes Buch mit den Kapiteln 14 bis 20 (plus die erste Seite von Kapitel 21). Enthalten ist bei jeder physischen Vorbestellung eine PDF-Version aller drei Bücher, egal ob man Band 1 oder 2 oder beide dazu bestellt oder nicht. Versandkosten für ein oder zwei Bücher sind 9$, der Versand für alle drei Bücher liegt bei 12$.

Wobei man hier im Hinterkopf behalten muss, dass bei Bestellungen aus den USA Einfuhrumsatzsteuer anfällt (für Bücher m.W. 7%) und leider blöderweise DHL für die Abfuhr dieser Steuer auch noch 6€ pro Bestellung aufschlägt. Es ist zwar möglich, diese Pauschale durch eine Registrierung als Selbstverzoller zu umgehen, aber leider momentan nicht sonderlich einfach (bei DHL nur dann möglich, wenn man ein Zollamt in der Nähe hat; angesichts der Tatsache, dass die Bestellungen erst ab November verschickt werden, auch kein Fall für das 9€-Ticket).

Wem das alles zu viel ist, der kann auch einfach nur die digitale Version kaufen (10$), oder einfach nur ein bisschen Geld schicken, ohne irgendetwas zu kaufen. (Bei Topatoco sind hier 7$ vorgegeben, was man durch die Anzahl aber noch multiplizieren kann.)


(Sarah Jolley hat auch ein Patreon, worüber man sie dauerhaft unterstützen kann.)

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Alle drei Bücher plus Tarotkarten

Beim Schreiben des Artikels zeichnete sich schon ab, dass das nötige Ziel erreicht werden würde, und auch das erste “Stretch Goal” – die Produktion eines Prosabuchs von Jolley mit Zeichnungen der befreundeten Irina Nevshupova (Tumblr, Twitter), ist mittlerweile gerissen. Vorbesteller, die mindestens ein physisches Buch bestellen, bekommen “Unbecoming” gratis dazu; auch der Druck wird genauso gehandhabt. Selbst das ultimative Ziel (gesammelte 34.000$ – ein Stickerset) rückt in greifbare Nähe.

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Weiterführende Links

Jolley Comics (eigene Website)


Society6-Webshop

Topatoco-Webshop

Tumblr (Modmad)


Twitter (UncleMod)

Fan-Wiki

Eine Kreidezeichnung von RGB (weil’s so schön ist)


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Spectaculus

Ich lese Comics, seit ich denken kann - oder vielleicht sogar noch länger.
Ansonsten bin ich ein großer Musikfan und mache mir ständig Gedanken über alles und jeden.

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