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ytpmv deutschland was ist ytpmv nicht verstehen
Ausschnitt/Zitat aus Octagon Collab

Die Kunst, YTPMV in Deutschland nicht verstehen zu wollen


YTPMVs, auch YouTube Music Videos genannt, sind in Deutschland nicht besonders verbreitet. Zwar gibt es durchaus einige, die YouTube Kacke, die in einen Song geschnitten ist, ganz lustig finden, das Genre an sich ist aber unter seinem richtigen Namen weder bekannt, noch besonders wertgeschätzt oder verstanden. Aber woran liegt das? Eine Spurensuche und ein Rant.

Eigentlich hätte Deutschland die besten Voraussetzungen gehabt, YTPMV mit genauso offenen Armen zu begrüßen wie es zum Beispiel in Japan der Fall ist – oder auch in den USA. Das ist jedoch nicht passiert, stattdessen herrschen eher Fragezeichen vor auf den Köpfen der Deutschen, wenn sie ein Video sehen, bei dem Sounds verwendet wurden, um den gesamten Song nachzubauen.

Das funktioniert in den USA, natürlich in Japan, es funktioniert in Südkorea, auch in Spanien und Brasilien, selbst in Frankreich erfreut sich YTPMV einem größeren Publikum, nur in Deutschland, da findet man es vielleicht einmal lustig, sieht aber weder die Mühe, noch die Kunst dahinter.


YouTube Kacke in Deutschland unfassbar beliebt

Wenn man dann jedoch YTPMV mit seinem Bruder, oder meinetwegen auch Vater, YTP, also YouTube Poop, hierzulande vor allem als YouTube Kacke bekannt, vergleicht, sieht die Welt auf einmal ganz anders aus. Verglichen mit fast allen Ländern ist YouTube Kacke wohl in keinem anderen Land so erfolgreich wie es in Deutschland der Fall ist. Die Qualität konnte dadurch massiv ansteigen, bereits seit den Anfängen von YouTube gibt es YouTube Kacke in deutscher Sprache.

Natürlich gibt es auch international YouTube Kacke, aber prozentual ist die Qualität hierzulande weitaus höher und das Genre erfolgreicher. Miner Morsel, Galileel, Sostrator, die Liste kann unendlich weiter gehen. Bei YTPMV sieht das anders aus. Es gibt zwar einzelne Songs, die YouTube Kacke-Produzenten mal gemacht haben, weder kommen diese jedoch an den Erfolg in anderen Ländern heran, noch sind sie wirklich “echte” YTPMV. Manchmal waren sogar extra ausländische Produzenten beteiligt.

Mit Placeboing musste trotzdem erst ein Amerikaner dazukommen, damit das funktionierten konnte

Das beginnt schon damit, dass YTPMV hierzulande fälschlicherweise, auch wenn es nicht ganz falsch ist, als Remix geführt wird. Zwar sind YTPMVs natürlich Remixes, aber ein einheitlicher Begriff ist damit natürlich nicht gewählt worden, denn wenn jemand nach “Remixes” sucht, kommen dabei nur Remixes von größeren Popsongs heraus. Und Remix ist halt als Name auch nur der Oberbegriff.


Doch noch mehr kann man vielleicht auch einfach sagen, dass der Erfolg von YTPMV weitaus seltener ist als von YTP, also YouTube Kacke, zumindest in Deutschland. Dabei hören die Deutschen doch auch Musik, warum also nicht hochpolierte bearbeitete Videos, die in einen Song verarbeiteten worden sind? Nahezu kein Publikum.

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Es gibt natürlich einige wenige, die YTPMV kennen oder vielleicht auch gut finden würden, aber um einige hundert bis wenige tausend wird diese Zahl nicht hinausgehen. Vielleicht liegt es daran, dass historisch einfach nicht so viel YTPMV in deutscher Sprache produziert wurde… haha, von wegen.

Eher deutsche YTPMV gemacht in den USA dort im Ausland als hierzulande

Aber es wird noch peinlicher, wie man beim YIPPIE Meme sehen kann. Hier existiert tatsächlich ein deutsches Meme, das durch YTPMV jedoch international beliebt wurde, während es in Deutschland kaum jemand auf dem Radar hat – erst recht nicht in seinen zahlreichen Song-Versionen.


Beispiel für eine noch simple YTPMV, Quelle: YouTube

Wäre das eine Ausnahme, wäre das ja noch in Ordnung, aber das ist es halt nicht. Es kommen also eher Menschen aus dem Ausland, die deutsche “Sources”, wie man in der YTPMV-Szene Quellen nennt, die bearbeitet werden, nutzen und damit eine YTPMV machen, die dann im Ausland beliebt ist. Das ist vor allem einfach schade.

Dabei gibt es durchaus gute YTPMVs, die Zielgruppe ist nur sehr klein

Es gibt zwar durchaus deutsche YTPMV-Creators, zum Beispiel ytpppmv, Cano, Kurumin und einige andere, diese sind aber entweder wirklich massiv Nische oder publizieren auf Englisch oder Japanisch, aber nur selten oder gar nicht auf Deutsch. Wenn man nahezu keine Erfolgsaussichten hat, ist das wohl auch mehr als verständlich.

YTPMV mit Max Schradin, Quelle: YouTube

Natürlich kann es sein, dass viele einfach noch nicht wissen, was gute YTPMV ist und wie man sie verstehen kann. Weil am Ende ist es natürlich Kunst und zwar nicht selten in ihrer schönsten Form. Mehr dazu weiter unten.


Das Problem ist nur, und mit diesem Eindruck bin ich gewiss nicht allein, dass viele auch bei langsamer Vorstellung überhaupt nicht empfänglich sind für YTPMV. Es ist ihnen zu schnell, zu bunt, zu undurchsichtig, zu viele “Audios übereinander” – scheinbar kennt der Deutsche das nicht und will es auch nicht kennen. Drüben in Frankreich sieht das ganz anders aus, aber umso östlicher man geht, desto weniger Verständnis scheint man noch zu bekommen. Und selbst hier im äußersten Westen ist es schon schwer irgendwen zu finden, der YTPMV überhaupt nur verstehen möchte.

Natürlich kann man nicht für jeden sprechen, sonst gäbe es hierzulande ja überhaupt gar kein Publikum – obwohl man so weit davon auch nicht weg ist, wenn man es auf die Bevölkerungszahl hochrechnet.

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Unverständnis und Missverständnis

Man nehme als Beispiel eines der wohl aufwändigsten YTPMV-Videos, eine Collab (also ein Video, an dem sehr viele Menschen gearbeitet haben) und das mit immerhin 2,5 Millionen Aufrufen bis heute auch nicht so schlecht dasteht. Es ist das Finale von insgesamt drei Octagon-Collabs und zwar nicht die berühmteste Collab überhaupt, aber eine der bekanntesten Collabs. Also vom aufwändigsten mit das populärste.


Octagon Collab, Quelle: YouTube

Bereits vor einigen Jahren hatte ich darüber geschrieben, wie gut das Video ist. Das erschloss sich für mich schon beim ersten Anschauen, dass ich hier auf Gold gestoßen war. Ich habe das Video mit der Zeit an einige Menschen geschickt und ratet mal, an wie vielen Händen ich abzählen kann, wie viele davon es gut fanden.

Natürlich ist es Geschmackssache, was man gut findet und was nicht. Aber egal, was man an YTPMV schickt, meistens kommt es nicht gut an, nahezu fast immer sogar. Selbst wenn es nur auf das Nötigste beschränkt ist. Und bisher hat sich daran auch noch nichts verändert.

Man kann ein Video schlecht finden, man kann auch zum Beispiel “Rock” nicht gut finden, aber YTPMV als ganze Genre-Ãœberkategorie mit Pop, Rock, sogar Klassik, Videospielmusik und allem nicht zu mögen, das ist keine Geschmackssache mehr, das ist ignorant oder einfach dumm.


Ich habe mich auch schon gefragt, ob es einfach daran liegt, dass YTPMV nicht weitestgehend bekannt ist, also im Sinne von “Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht”. Oder vielleicht auch im Sinne von “Kenne ich die Kunst nicht schon, verstehe ich sie nicht”. Ob der Deutsche Leonardo da Vinci als Künstler akzeptieren würde, wenn Gemälde nicht als Kunst bekannt und anerkannt wären? Denn natürlich ist YTPMV Kunst. Das zu bestreiten, wäre absolut irrsinnig und für die Produzentinnen und Produzenten eine Beleidigung. Aber auch das ist oft genug schon passiert.

Selbstverständlich gibt es auch in anderen Ländern einige Menschen, die YTPMV nicht verstehen oder verstehen wollen. Als zum Beispiel Terry Crews Ausschnitte einer ihm gewidmeten Collab postete, verstanden auch nicht alle direkt den künstlerischen Wert. In Deutschland wären die Ersteller dafür vielleicht jedoch auch gleich noch gesteinigt worden, weil die Clips als Beleidigung aufgenommen worden wären. Mit der Kunst scheint der Deutsche generell seine Probleme zu haben, wenn er nicht von Kind an beigebracht bekommen hat, dass man das Kunst nennen sollte.

Vor allem ist das schade, weil darunter diejenigen, die YTPMV verstehen oder vielleicht sogar mögen und den Aufwand sehen können, mitleiden. Und die, die es erstellen und kein Publikum finden, das es auch annimmt.


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Bastian

Gründer und Autor. Experte für Memes, Internetkultur mit Stars und Social Media, dabei aber auch interessiert an Kino, Filmkultur & Animationsfilmen und anderem. Manchmal sarkastisch, kreativ und Gelegenheitskritiker.

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