Im Jahr 2023 gab es keine, 2024 gibt es sie aber wieder: Die Sonderedition des Lustigen Taschenbuchs. Donald Duck war bereits zwei Mal Thema – 2009 zum 75. und 2014 zum 80. Geburtstag. Nun also die “LTB Sonderedition 90 Jahre Donald Duck”. Anders als früher ist der Erscheinungsturnus allerdings deutlich langsamer – und die Box mit allen vier Bänden noch nicht verfügbar, man muss also noch über ein halbes Jahr warten, wenn man alles auf einen Schwung im Schuber kaufen will. Wer nicht so lange warten will, muss die Bände eben dann einzeln jeweils nach Veröffentlichung kaufen.
Ganze vier deutsche Erstveröffentlichungen finden sich in diesem Band (sowie im kommenden Band 2), was einen Fortschritt gegenüber älteren Sondereditionen darstellt. Wie auch bei den neuen Nebenreihen (“LTB Abenteuer” und “LTB Entenhausen Stars”) sind auch in der LTB Sonderedition 90 Jahre Donald Duck die Comics alle neueren Datums. Die älteste Geschichte stammt von 2003. Immerhin sind die Nachdrucke auch nicht ganz taufrisch, die neueste Story ist “Im Mahn-Wahn” – im italienischen Original von 2016. Für uns am aktuellsten: “Komplette Kontrolle” erschien 2018 im LTB.
Donald, der Neffe des reichsten Mannes der Welt
Die Beziehung von Donald zu seinem Onkel, der erst vor etwas über einem Jahr seinen 75. Geburtstag feiern durfte (wir berichteten), im Comic aber natürlich deutlich älter ist als unser diesjähriges Geburtstagskind, zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Buch. Gleich zu Beginn wird diese von Silvia Gianatti und Ettore Gula in einer bislang nicht auf Deutsch veröffentlichten Geschichte namens “Faulpelz wider Willen” untersucht. Hier sagt Donald dem reichen Onkel den Kampf an und weigert sich, weiterhin dessen Lakai zu sein. Dagobert nimmt es gelassen hin und findet bald einen Ersatz namens Drull. Das wiederum findet Donald dann nicht so lustig und er fängt an, seinen Nachfolger zu beobachten.
Die Auflösung des Ganzen ist nicht bis ins Detail, aber insgesamt schon irgendwie vorhersehbar. Ganz logisch erscheint es auch nicht, aber sehen wir mal darüber hinweg.
Transparenzhinweis: Wir haben für diesen Artikel ein Presseexemplar erhalten. Die Abenteuer von Donald Duck und Co. erscheinen alle vier Wochen im Lustigen Taschenbuch. Aktuelle Rezensionen, News und Hintergründe gibt es jederzeit in unserer Comic-Rubrik.
Der erste Nachdruck heißt “Das Multiantriebsfahrzeug” und stammt nicht aus der LTB-Hauptreihe, sondern aus Enten-Edition 59, ein Band rund um Donalds Auto, den 313. Donald soll hier mit seinem liebgewonnenen Gefährt eine Rallye begleiten (warum das für Dagobert Sinn ergibt, erschließt sich mir nicht), aber er gerät von der Strecke ab und muss sich mehrfach von seinen Neffen retten lassen, welche das Auto flugs umbauen und an die Gegebenheiten anpassen.
Die Geschichte ist inhaltlich ziemlich unrealistisch. Sehr positiv allerdings die knuffigen Zeichnungen von Alessandro Perina, welche einen großen Anteil daran haben, dass Donald hier von seiner besten Seite gezeigt wird: Egal, wie hitzköpfig er ist, man muss ihn einfach gernhaben. Diesen Balanceakt beherrschen bei weitem nicht alle Zeichner so gut.
“Ein schwerwiegendes Problem” ist eine außergewöhnliche Geschichte von Texter Roberto Gagnor rund um das sogenannte “Ur-Kilogramm” und andere Standardmaße (nicht gerade ein alltägliches Thema). Zeichner Marco Mazzarello kann sich zwar nicht mit den Zeichnern der vorigen Storys messen, doch der Autor beweist ungeahnte Tiefe, wenn Dagobert und Klever zusammenarbeiten müssen und dabei gewisse Vorurteile übereinander überdenken müssen. Erwähnenswert auch die unglaublich gute Übersetzung: “Wie viel Milligramm wiegt Ihr Spatzenhirn?” – “Messen wir lieber den Umfang Ihres Holzkopfes!” – “Ein Einfältigkeitsbarometer würde bei Ihnen ausschlagen!” … “Wollen Sie eine Tonne Stockhiebe?”
Es gibt zwei LTB-Geschichten, die “Tanz der Taler” heißen: Hier steht der Titel für eine Fernsehshow. Felix Flink, eine Parodie des italienischen Showmasters Rosario Fiorello, hat hier seinen zweiten Auftritt. Die Hauptfigur ist aber weder er noch Donald, sondern eher Peter Plauder alias Gero Ganter. Der soll nämlich dafür sorgen, dass Dagobert die titelgebende Show übernehmen kann, ohne sich dabei finanziell zu übernehmen. Das erweist sich naturgemäß als schwer, und wenn dann noch die Panzerknacker dazukommen, rückt das Desaster in greifbare Nähe. Durchaus witzige, wenn auch nicht wirklich erinnerungswürdige Geschichte von Fausto Vitaliano, gezeichnet natürlich hervorragend von Giorgio Cavazzano.
Aus dem Alltag einer Ente
Absolut im Mittelpunkt steht Donald bei “Komplette Kontrolle”, einem “stummen” Comic von Giorgio Salati und Donalds Namensvetter, Donald Soffritti, als Zeichner. Hier kämpft der Enterich mit einer Vielzahl an Fernbedienungen, die jeweils nicht das gewünschte Gerät bedienen. Comichaft überspitzt, aber nicht so weit weg von der Realität.
Wer das LTB zu seiner erfolgreichsten Zeit gelesen hat, kennt den Erzählstil von Rodolfo Cimino. “Der verpuffte Geldspeicher” ist eine deutsche Erstveröffentlichung, aber viele Elemente wirken vertraut. Dagobert will Steuern vermeiden, indem er sein Geschäft ausgibt und sein gesamtes Geld in Gold tauscht. Allerdings fällt daraufhin der Geldspeicher in sich zusammen und Dagobert verschwindet… Der Schluss wirkt selbst für Ciminos Verhältnisse arg gewollt. Tiberio Colantuonis Zeichnungen verbreiten immerhin etwas klassisches Flair, überzeugen aber auch nicht auf ganzer Strecke.
“Reporter Tick, Trick und Track: Im Einklang mit der Natur” ist eine von nur zwei mehr als eine Seite langen Geschichten, die Zeichner Ottavio Panaro auch selbst geschrieben hat, mit sechs Seiten aber trotzdem eher Kurzkost. Der Kurzbericht eines Besuchs von Donald und seinen Neffen bei Oma Duck auf dem Bauernhof ist ganz nett, aber auch ganz schnell wieder vergessen.
Panaro darf aber gleich noch mal ran, diesmal als Zeichner für Jacopo Cirillo. Dessen Story “Im Mahn-Wahn” (Nachdruck aus LTB 485) ist tatsächlich mal recht unverbraucht: In Entenhausen hat eine neue Bibliothek eröffnet. Dieses zunächst sehr wohltätig erscheinende Projekt hat aber einen Riesenhaken: Die Ausleihbedingungen sind sehr undurchsichtig, und so macht der Betreiber mit Mahngebühren groß Kasse – auch bei Donald. Der lässt das aber nicht auf sich sitzen. Witzige Geschichte, selbst wenn das Ende etwas enttäuschend (wenn auch passend) ist.
Abenteuer im Cyberspace
Der längste Comic des Buchs ist eine Fantasy-Geschichte namens “Am Ende des Regenbogens” von Fabio Michelini, die leider auch etwas ins Abstruse tendiert und phasenweise wie an den Haaren herbeigezogen wirkt. Ein Dagobert Duck, der auf einem Tablet durch einen virtuellen Regenbogen surft und nach Gold sucht – das ist nicht mehr mein Entenhausen. Giampaolo Soldatis Zeichnungen sind mir auch zu wirr. Die Farbwesen wiederum gefallen mir recht gut, die Moral kommt aber ziemlich kindergartenhaft rüber. Für mich eher ein mittelmäßiger Comic, trotz Fortsetzung in LTB 574.
(Immerhin: Der Fehler mit den vertauschten Sprechblasentexten auf der sechsten Seite wurde im Vergleich mit LTB 504 behoben.)
“Schildbürgerstreiche” findet man in der deutschen Erstveröffentlichung gleichen Namens keine, aber eine Menge Schilder. Es wird nämlich ein Wettbewerb veranstaltet: Wer erfindet das beste neue Verkehrsschild? Es gehen viele Vorschläge ein, die auf einer besonderen Fahrt vorgestellt werden.
Autor Augusto Macchetto und Zeichner Carlo Limido legen hier eine Geschichte vor, die zumindest ich so noch nicht kenne. Dabei überzeugen viele der Einzelszenen mit ihrem Einfallsreichtum (z.B. Gittas Idee einer “Kusspflicht”), aber der Schluss ist – und ich wiederhole mich – etwas kindlich-kitschig. Trotz prinzipiell begrüßenswerter Aussage.
“Die Cyberspace-Champions” ist ein Nachdruck aus LTB Extra 4, womit schon das Thema feststeht – Fußball. Die Ducks sind in Rom, und dort verschwindet gerade ein Fußballstar nach dem anderen. Tick, Trick und Track sowie ihr neuer Freund Mario beobachten, wie ein irrer Wissenschaftler einen weiteren in seine virtuelle Realität verschleppt, wo er dann Kopien von sich gegen ein Starteam antreten lassen will. Nette, aber nicht sonderlich herausragende Geschichte von Carlo Panaro, die von Marco Gervasios Zeichnungen etwas Flair bekommt.
Mit “Ein begnadeter Schauspieler” findet der erste Band der LTB Sonderedition 90 Jahre Donald Duck einen schönen Abschluss. Die von Manuela Capelli geschriebene und von Luciano Gatto gezeichnete deutsche Erstveröffentlichung beginnt wie eine “Meister seines Fachs”-Story, geht dann aber einen anderen Weg. Donald entdeckt hier eine Nische für sich: Er verdingt sich als Schauspieler. Aber nicht auf einer Theaterbühne, sondern bei den Zuschauern zuhause! Das geht so lange gut, bis er sowohl vom Bürgermeister als auch von Onkel Dagobert für denselben Termin gebucht wird…
Fazit
Die LTB Sonderedition 90 Jahre Donald Duck beginnt mit einem gut lesbaren Band, der allerdings qualitativ unauffällig bleibt – richtige Highlights bleiben ebenso aus, genau wie schlechte Comics.
Ein bisschen seltsam: In den Geschichten “Ein schwerwiegendes Problem”, “Tanz der Taler”, “Schildbürgerstreiche” und “Die Cyberspace-Champions” spielt Donald Duck nur eine untergeordnete Rolle. Auch “Am Ende des Regenbogens” und “Der verpuffte Geldspeicher” sind eher Dagobert- als Donald-Comics. Für sein Jubiläum wäre also durchaus noch mehr drin gewesen. Die nächsten drei Bände können diesbezüglich also noch mehr vorlegen.