Kaum etwas ist auf Twitter aktuell unter Themen wie Krieg oder Corona so präsent wie die Diskussionen über den heutigen Status von Harry Potter, die Meinungen der Autorin J. K. Rowling oder generelle Vorwürfe gegenüber dem Werk selbst. Doch worum geht es dabei überhaupt und wie sinnvoll ist es jetzt, sich an dieser Diskussion zu beteiligen?
Relativ schnell bemerkt man dabei, dass sich mehrere Lager gegenüber stehen. Das sind einmal die Nutzer, die J. K. Rowling und ihren kruden Thesen ohne Wenn und Aber zustimmen, dann die Harry Potter-Fans, die sich von der Autorin distanzieren, aber nicht vom Werk und ganz zuletzt die, die wiederum fordern, dass man das gesamte Franchise nun aussterben lassen sollte. Jeden Tag kann man dabei die Schlachten in den Trends verfolgen und sehen, wer aktuell wieder ganz vorn mit dabei liegt.
Worum es überhaupt geht – Kurz erklärt
Um diesen Konflikt überhaupt verstehen zu können, muss man vorerst genauer darauf eingehen, worum es eigentlich geht. Direkt zum Punkt gebracht verbreitet die Autorin der Reihe, J. K. Rowling, seit einiger Zeit einiges, was von den Meisten als transfeindlich eingestuft wird. Das bedeutet, dass sie abgeneigt gegenüber der Idee ist, dass Menschen bei gravierenden psychischen Problemen mit ihrem Geschlecht dieses wechseln können, weil sie zuerst bei Geburt das „falsche“ erhalten haben.
Zwar identifiziert sich Rowling als klare Feministin, ist jedoch wohl die Speerspitze der TERF-Bewegung. Also der feministischen Bewegung, die Transpersonen rigoros ausschließt und auf das biologische Geschlecht verweist, das man nicht ändern dürfen sollte.
Aufgrund dieser Aussagen und Tweets wurde Rowling auch beispielsweise nicht mehr zur Harry Potter Reunion 2021 eingeladen. Bereits vorher hatten sich mehrere Instanzen, die zusammen an Harry Potter arbeiten, für die Thesen entschuldigt und davon distanziert. Rowling sieht sich darin aber eher bestärkt, zwischenzeitlich sah sie sich aber auch persönlichen Attacken ausgesetzt.
„Jeder, der Harry Potter in irgendeiner Form konsumiert, unterstützt J. K. Rowling“
Im Zuge einiger neuer Streaming-Angebote wie „Harry Potter: Return to Hogwarts“ oder des Videospiels Hogwarts Legacy kam die Diskussion jetzt in den letzten Wochen vermehrt wieder auf. Da man sich fast überall von den Aussagen Rowlings distanziert, besteht hier so weit kein Problem – dafür ist der Vorwurf jedoch, dass man mit jedem Potter-Inhalt, den man konsumiert, auch die transfeindliche Autorin unterstützen würde und entsprechend selbst transfeindlich wäre.
Einige auf Twitter und anderen sozialen Netzwerken stimmen dem zu, viele äußerten sich dazu, dass dies eben nicht stimme und das Werk von tausenden anderen Personen, die mit an der Reihe gewirkt haben, kaputtmachen würde.
Ebenfalls werden einige Stellen des Buches in diesem Zuge wieder ausgekramt und so interpretiert, dass Rowling auch pro Sklaverei wäre und ein neoliberales Propagandaprogramm zusammengeschrieben hätte mit ihrer Harry Potter-Reihe – das ist natürlich schwachsinnig. Die Diskussion über die Unterstützung jedoch ist weitaus brisanter als jetzt „nur“ in diesem Fall.
Die Verbindung zwischen Kunst und Autor
Denn es ist die uralte Frage, ob man Kunst und Autor voneinander trennen sollte oder nicht. Nichts Geringeres stellt sich so auch aktuell wieder, denn Teile der Tweets von Rowling sind nur für die wenigsten Menschen haltbar, da sie in weiten Teilen als durchaus hasserfüllend und transfeindlich zu bewerten sind.
Hierzu hat jeder seine ganz persönliche Meinung und ein wirklich abschließendes Urteil gibt es dazu wohl einfach nicht, eine spezielle Sache kann man jedoch auch so schon herausstellen, indem man sich selbst fragt: Wie relevant wird der Autor in 200 Jahren sein, oder erinnert man sich nicht eher an das Werk?
In vielen Fällen hält sich Kunst nämlich länger als das, was über den Künstler bekannt ist. Harry Potter hat mit seinem Erfolg mit Sicherheit die Popularität von Rowling selbst um Weiten übertroffen und auch, wenn zumindest den Meisten ihr Name noch ein Begriff ist, so wird sich das in den nächsten 200 Jahren sicher ändern und vor allem das Werk selbst in den Vordergrund rücken – indem es aktuell übrigens schon ist.
Und irgendwann verfällt auch das Copyright Rowlings an der Marke und somit der Profit, den sie oder potenzielle Nachfolger machen könnten.
Die ganze Reihe wegen der Autorin aufgeben?
Und klar, würde man die Reihe nun wegen der Autorin aufgäbe, würde man selbstverständlich riskieren, dass das Werk auf Langzeit stark an Popularität einbüßt – auch wenn das bei einem so großen Franchise eigentlich sowieso unmöglich sein dürfte, – was somit die Frage aufwirft, ob das überhaupt der Zweck sein sollte.
Denn Harry Potter ist Weltliteratur und eine der bekanntesten, wenn nicht sogar die bekannteste Literatur-Reihe der bisherigen Weltgeschichte, besonders aber in den letzten 30 Jahren. Sollte man sowas einfach wegwerfen, weil die Autorin sich einige Jahrzehnte später als nicht ganz lupenrein toll herausstellt? Wie viele Werke sollte man dann ebenfalls auf den Müllhaufen schmeißen, weil die Künstler teilweise dann doch als problematisch zu bewerten waren?
Die Antwort ist natürlich nein. Uns insbesondere mit dem Verständnis, dass durch Filme, Serien, Merch, Musik, Comics, Artworks und vieles mehr über Harry Potter wohl weit über zehntausende andere Künstler einen Beitrag zum Franchise geleistet haben, wäre es wirklich nicht mehr fair, die Sache so schwarz-weiß zu sehen.
Fazit
Am Ende des Tages ist es dabei aber natürlich jedem selbst überlassen, wie man auf solche Äußerungen reagiert. Sich selbst einen Vorwurf machen, weil man damit ja eine transfeindliche Person unterstützen würde, muss man aber nicht. Denn das tut man, unabhängig davon, was man kauft, oft genug, schließlich gibt es in jedem Unternehmen Personen mit fragwürdigen Meinungen.
Stattdessen ist es wichtig, dass man sich damit beschäftigt, dazulernt und Sachverhalte voneinander trennt, statt alles beiseite zu legen, bis auf einmal nichts mehr da ist.
Denn wer weiß, vielleicht ändert ja sogar Rowling irgendwann nochmal ihre Meinung und zeigt sich mit offener und toleranterer Haltung gegenüber Minderheiten, die nicht in wenigen Fällen ebenfalls Fans der durch sie geprägten Harry Potter-Bücher und Filme sind und nun darunter leiden müssen, dass sich möglicherweise sogar ihr eigentliches Vorbild gegen sie gewandt hat.
5 Kommentare
Was mir in dem Artikel noch ein wenig fehlt, ist die Besonderheit der TERF-Bewegung in Großbritannien. Die ist woanders kaum so groß, einflussreich und auch aggressiv wie dort. Und da wird es dann deswegen haarig, weil Rowling politischen Einfluss hat und somit nicht nur durch die Verbreitung des Gedankenguts Menschen, die trans sind, schaden kann.
Allerdings Disclaimer von mir: Da ich nie HP-Fan war, ist mir die jetzige Diskussion darüber relativ egal. Ich glaube allerdings nicht, dass ich Fan bleiben könnte, wenn sich die Erschafferin des Universums derart äußert.
Witzig/Skurril finde ich übrigens, dass sie für ihre Krimis ausgerechnet ein männliches Pseudonym genutzt hat.
Die Position JKs ist nochmal ein ganz anderes Pflaster, das stimmt. Allein durch die Tweets hat sie ja schon eine ganz schön große Reichweite. Das mit dem politischen Einfluss hat aber wahrscheinlich eine Rolle gespielt, wie sie zu diesen Positionen gekommen ist oder warum sie an ihnen festhält. Manchmal steigert man sich schon deshalb in eine Sache, weil sie Aufmerksamkeit bekommt und ab einem gewissen Grad kann man sie nicht mehr aufgeben – oder glaubt eben schon selbst daran. Es würde mich nicht wundern, wenn dieser Umstand in diesem Fall einen nicht unerheblichen Teil ausgemacht hat. Kaum stand sie einmal für die TERF-Bewegung, konnte sie die Sache wohl auch nur spärlich wieder abschütteln und dann hat sie vielleicht einfach weitergemacht.
Auch wenn die Gründe natürlich weitaus vielfältiger sein werden als das. Aber einen Faktor hat das sicher gespielt.
Es ist kurios wie das auch noch relativ plötzlich kommt, Rowling machte diese Aussagen nicht erst vor kurzen, deshalb ist es kurios für mich das erst jetzt Leute wirklich darauf eingehen und sagen man dürfen ja kein HP mögen, sonst würde man alles Unterschützen, was sie sagte/glaube usw.
Dabei ist es eine schwammige Logik, so ist zwar nach meines Wissens zwar HP Rowlings Werk, aber direkt am neuen Spiel hat sie abseits der Lizenzierung vermutlich nicht mitgewirkt und bei den Filmen auch nicht allzu extrem, man sollte sich immer vor Augen halten, dass diese andere Produkte immer noch von tausenden Menschen entwickelt werden und ich bin mir sicher, die meisten von ihnen stimme Rowlings Ansichten nicht zu.
Man sollte zwar den Creator hinter dem Produkt sich anschauen und man muss ja nicht mit seinen oder ihren Ansichten zustimmen, dennoch kann man beispielsweise HP mögen, man kann Ren & Stimpy mögen, man kann Cosmo & Wanda/Danny Phantom mögen, man kann vieles mögen. Nicht all diese Produkte spiegel die Ansichten vom großen „Mastermind“ wieder, alle haben zwar scummy Creators in irgendeiner Art, aber dennoch sollte man erlaubt sein die dennoch zu mögen, ob man direkte Produkte des Masterminds heutzutage noch wirklich mögen/unterschützen will ist eine andere Sache, dennoch werden dieses IPs weitergeführt von neuen Leuten und wenn das alte „Mastermind“ zurückkehrt, scheinen ja diese neue Produkte so oder so nicht die besten zu sein scheint (siehe was man vom Theater von HP hört, wo Rowling mehr involviert war) Man sollte wirklich manchmal Kunst und Künstler trennen oder sollen wir vieles weg werfen, weil die Ansichten die in dem Fall meist nichts mit dem Werk als solchem zutun hat, alles was der Künstler eher problematische gesagt/gemacht hat repräsentiert? Ich glaube eher nicht
TL:DR Wenn der Urheber seine Ansichten im Produkt widerspiegelt, sollte man es nicht kaufen. D.h. Wenn ein neuer phantastic Beasts kommt, der Minderheiten verunglimpft, gilt es das zu boykottieren. Bei HP ist das aber kein Problem, oder ist Harry plötzlich gegen die Inklusion von Minderheiten?
Du sagst jetzt so einfach, dass ihre Ansichten im Produkt widerspiegelt werden, aber ist das denn wirklich so? Die Bücher der Harry Potter-Reihe sind um einiges älter und da hatte sich JK noch nicht in den Diskurs eingebettet, vielleicht sogar gar nicht darüber nachgedacht. Sonst hätten es auch nicht so viele Menschen gelesen, eben auch Transpersonen. Das Problem sind jetzt die Tweets/Aussagen, nicht die Bücher, die werden in der Folge zum Problem gemacht.