Seit wenigen Tagen setzt der SWR die letzten Tage von Sophie Scholl mit einem Instagram-Projekt in Szene, genannt @IchbinSophieScholl. Hiermit soll darauf aufmerksam gemacht werden, wie sich die wichtige Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus versucht hat gegen die Nazis durchzusetzen und schlussendlich dafür ihr Leben lassen musste. Da Sophie Scholl am kommenden Samstag 100 Jahre alt werden würde, hatte man sich dazu entschlossen das Projekt ins Leben zu rufen, um mehr Menschen, gerade der jüngeren Generationen, einen Einblick ins Leben der mutigen Frau zu vermitteln.
Das hat man auch geschafft, denn mittlerweile ist das Projekt zu einem Riesenerfolg geworden – und das in nur wenigen Tagen. Mittlerweile folgen dem Profil so schon über 330.000 Menschen. Das sind so kurzer Zeit unglaublich große Zahlen. Die Aktion ist also durchaus als voller Erfolg zu bezeichnen.
Die gute Seite der Sophie Scholl Instagram-Page
Natürlich, und das steht vollkommen außer Frage, ist das Projekt ein guter Weg Sophie Scholl neuen Leuten nahezubringen, die sie vorher noch nicht kannten, sich aber auf Social Media-Profilen befinden und sie auf diesem Wege kennenlernen können. Das Geschichtsverständnis, gerade im Hinblick auf den Nationalsozialismus, ist extrem wichtig und die wenigen bekannten Figuren der Gegenbewegung der Nazis haben jede Ehre verdient, die man aufbringen kann. Schließlich brauchte es sehr, sehr viel Mut, um sich zu trauen, gegen diese Menschenrechtsverbrecher vorzugehen und Widerstand auszuüben.
Gerade solche Persönlichkeiten sorgen dafür, dass auch andere sich trauen Widerstand auszuüben, sei es nun in einer Diktatur oder bei auch kleineren Situationen, bei denen das vielleicht genau angebracht sein mag.
Doch irgendwie ist die Aktion eigenartig, gar befremdlich
Wer Sophie Scholl jedoch kennt und auch weiß, was diese Frau gemacht hat, nimmt das Profil vielleicht als etwas, sagen wir, surreal wahr. Natürlich ist die Aktion gut, trotzdem hat sie einen faden Beigeschmack. Sophie Scholl als Influencerin, das klingt schon fast ein wenig lächerlich. Auf einer Plattform wie Instagram, wo normalerweise Beauty-Produkte von Model XY präsentiert werden, erwartet man eben keine Heldin. Natürlich will das Profil auch ein krasser Kontrast sein, trotzdem ordnet man sich der bunten Instagram-Welt ein, das sieht man allein schon an den Fotos oder der Profilbeschreibung.
Mit “21 I Studentin Philosophie & Biologie, Kunst & echter Kaffee” und unter dem Titel “Blogger/in” betitelte man den Auftritt von Sophie Scholl nämlich. Und hier fängt es dann auch wirklich an surreal zu werden. Natürlich könnte man jetzt sagen, dass die Nachricht hier hinter ist, dass jeder, auch jemand wie du und ich, so ein/e Held/in werden kann. Trotzdem spielt das in einer gewissen Weise herunter, was Sophie Scholl gemacht hat. Sie ist für ihre Überzeugung gestorben. Das hat mit einem Fabel für echten Kaffee oder einer Blogger-Karriere rein gar nichts zu tun.
Wenn man sich außerdem vorstellt, dass das Profil zurzeit damals entstanden wäre, dann wird klar, dass Sophie Scholl es so wohl sicherlich nicht hätte aussehen lassen. Denn ihr ging es sicher nicht um Selbstinszenierung im Namen einer gefährdeten Bewegung. Damit hätte man ja nur dafür gesorgt, dass die gute Aktion noch früher “aufgeflogen” wäre.
Instagram-Storys gibt es natürlich auch
Was bei einem richtigen Instagram-Influencer-Auftritt natürlich nicht fehlen darf – das sind die Videos. Vom Koffer packen, Zug fahren und Roomtour ist alles dabei. Und stets wird mit Selfiestick in der Hand für uns dokumentiert, was Sophie jetzt gerade so macht und noch machen wird, denn weitere Filmstreifen werden wohl noch folgen. Natürlich bewirbt sie dabei keine Beautyprodukte, sondern reist durch eine sehr gut dargestellte Gegend, die nah an die 1942 herankommen dürfte, trotzdem fühlt sich das Ganze nicht minder befremdlich an, als die Bilder es bereits tun.
Sophie Scholl war einfach keine Influencerin
So gut gemeint die Aktion auch ist, das will ich hier noch einmal deutlich unterstreichen, so wichtig ist es auch zu sagen, dass die Person Sophie Scholl einfach nicht in die Rolle der Influencerin passt. Es gibt Dokumentationen zu Sophie, die die ganze Thematik sehr gut aufgreifen können. Natürlich kommt man durch solche Dokumentationen nicht immer an die jungen Zuschauer, die sich dafür sonst nicht interessieren, heran, das aber durch eine wie bei einer Influencerin aufgebaute Instagramseite zu versuchen, halte ich persönlich für kritisch.
Und das liegt vor allem daran, dass es in gewisser Weise Sophie Scholl ein wenig lächerlich erscheinen lässt. Dabei finden sich unter den Beiträgen auch Kommentare wie beispielsweise “Genieß die Zeit, Sophie!”, die ein noch mulmigeres Gefühl erzeugen, wenn man bedenkt, was Sophie Scholl widerfahren ist. Und wer noch ein wenig scrollt, findet noch krassere Kommentare.
Am Ende des Tages ist es nur ein Gefühl, dass sich irgendwie nicht richtig anfühlt, wenn man das Profil, die Beiträge und ihre Storys betrachtet. Auch wenn es gut ist, dass die traurige, aber auch wichtige Geschichte in modernen Medien aufgearbeitet wird, scheint Instagram, zumindest auf diese Weise, nicht das gerechte Medium für so eine Persönlichkeit zu sein.
2 Kommentare
Widerstandskämpferin auf die Ebene eines Influencers setzen – hört sich eher nach einer schlechten Komödie an. Das Problem dabei ist nur, dass sie, wie von dir bereits erwähnt, für ihre Überzeugungen gestorben ist und nicht beim fehlgeschlagenen Versuch eines Selfies an einem riskanten Ort.
Gut geschrieben, sowie immer eigentlich. Die Keywords sind “fett”, sollte ich zukünftig vllt. auch mal machen
Ich find auch nur befremdlich
Es einfach auf mehreren Ebenen schon surreal
Gute artikel, wie immer eine gute sachliche auseinandernehmen einer Sache!