392 S., 9,99€
LTB Extra 7 wirbt mit “15 extravaganten Episoden”, aber eigentlich sind es nur drei Comics. Auf fast 400 Seiten. Hoppla! Das bedeutet auch: Ein paar Spoiler lassen sich nicht vermeiden, wenn ich jede einzelne Episode rezensiere.
Die Nachbarschaftsliga (Episode 1-6)
Episode 1: Die Küken von der Blumenstraße
2019 entstand diese Geschichte von Bruno Enna, also nicht zu einer Fußball-EM oder -WM. Und in der Tat ist der Sport auch nicht das einzige Thema in diesem Sechsteiler, vielleicht nicht mal das wichtigste. Dennoch macht es Sinn, das Werk hier abzudrucken – warum, wird sich später zeigen.
Los geht es mit einem Onkel Donald in hellem Aufruhr. Seine drei Neffen streiten sich auf einmal und sondern sich voneinander ab. Auch wenn Oma Duck ihm versichert, dass das ganz normal ist und zur Pubertät dazugehört, ist Donald nachgerade besessen von der Idee, die Drillinge wieder zu versöhnen, und spannt dafür seinen Vetter Dussel ein, der einen Trainerschein gemacht hat. Fortan sollen die Drei zusammen mit anderen Kindern in der Nachbarschaftsliga Fußball spielen. Da müssen sie sich doch zwangsläufig zusammenraufen, oder?
Nur hat Donald erstens die Kompetenz von Dussel über- und die Eigenständigkeit seiner Neffen unterschätzt…
Episode 2: Tücken der Technik
Tick hat das Angebot von Nachbar Zanker angenommen und spielt nun für die Löwen. Der hat als Trainer zwar etwas mehr Ahnung von Fußball als Dussel, aber das muss noch nicht viel heißen. Erst als ihm ein Tablet mit einer Software überreicht wird, die ein ganzes Trainerkonzept beinhaltet, kommt Struktur in das Ganze. Aber eine Software ist kein Mensch…
Episode 3: Von Noten und Nöten
Track hat dem Sport Adieu gesagt und will lieber eine Band gründen. Zugleich gibt es Probleme mit Mobbing. Eine Band findet sich, aber deren Stern scheint reichlich unstet zu sein.
Episode 4: Hoffen und Bangen
Die Eltern der anderen Küken haben die Nase voll: Dussel muss weg. Donald versucht, das Problem mit einem gewissen Maß an Flunkerei zu regeln, aber das geht nicht ganz glatt.
Episode 5: Benefiz für bösen Buben
Tracks gewagte Idee, ausgerechnet seinen Peiniger Elmo als Manager für die “Taubmacher” (wie die Band nun heißt) einzuspannen, scheint nicht zu funktionieren. Elmo erscheint zunächst nicht zur Vertragsunterzeichnung mit einem Videoproduzenten, und erklärt das damit, dass er seinen armen Eltern im Laden helfen muss. Track setzt daraufhin alle Hebel in Bewegung, um einen Benefiz-Auftritt zu organisieren! Und der findet dann ausgerechnet am selben Tag wie der geplante Videodreh statt.
Episode 6: Das Endspiel
Zwei Brüder, die gegeneinander spielen müssen, und einer, der im Vorprogramm auftreten wird. Kann das gut gehen? Die Lage eskaliert so sehr, dass die drei sich bis zum Finale aus dem Weg gehen wollen – Track kommt mitsamt seiner Band bei Oma Duck unter, Trick findet bei Onkel Dagobert Platz (der in der ganzen Geschichte ziemlich sympathisch rüberkommt) und Tick versucht, es sich bei Dussel irgendwie einzurichten. Und bei alledem kommen sie auf denselben Gedanken…
Zwischenfazit 1
Der Schluss dürfte manchen Leser etwas unbefriedigt zurücklassen, aber ich finde es gar nicht schlecht, wie Autor Bruno Enna hier die Erwartungen unterläuft. Zeichnerisch gefällt mir Alessandro Perina deutlich mehr als Marco Mazzarello, allerdings unterstreicht der Zeichnerwechsel gut die Schnitte zwischen den Handlungssträngen. Insgesamt ist es in meinen Augen sicher eine der besten Duck-Geschichten der letzten paar Jahre.
Dass Tick, Trick und Track, die klassischerweise meistens als Einheit agiert haben, unterschiedliche Persönlichkeiten und Interessen entwickeln, kennen wir bereits von der Fernsehserie DuckTales 2017. Auch in Italien gewinnt dieses Konzept zunehmend Freunde, jedoch sind die Autoren hier deutlich behutsamer vorgegangen. So wirkt es realistischer und wie eine tatsächliche Entwicklung vom bekannten Status Quo. Die hier vorliegende Geschichte markiert den Beginn dieser Entwicklung, alleine deswegen ist sie in meinen Augen Pflichtlektüre.
In der vorletzten Episode wird schon angekündigt, dass die Taubmacher in der Fernsehsendung “X-Music” auftreten werden. Die dazugehörige Geschichte ist bereits im LTB Spezial 101 (“Duck ‘n’ Roll”) erschienen.
Dort hat auch eine andere Band ihren zweiten Comicauftritt, nämlich “Foglie rosse” (Herbstlaub) rund um Mack und Muck. Deren Debüt fehlt bislang noch auf Deutsch. Beide Gruppen hatten nach dem Crossover “X-Music” schon weitere Auftritte, bei den Taubmachern ist es die mehrteilige Geschichte “Musicalisota”. Herbstlaub hat noch mehr zu bieten, nämlich einen Zwischenteil, eine ungewöhnlich gezeichnete Zusammenfassung des bisherigen Geschehens und eine zweite lange Geschichte. Mit ihren mittlerweile über dreihundert Seiten und den ungewöhnlichen Zeichenstil von Claudio Sciarrone (der hier auch als Autor reüssierte) wäre die Serie eigentlich gut für das LTB Premium geeignet.
Und auch zum Thema Fußball gibt es noch etwas von Bruno Enna, nämlich die Geschichte zur WM 2018.
Das 100-Tore-Turnier (Teil 1-5)
Teil 1: Der FC 313
Hier kommt nun die Geschichte, die für die wegen der Pandemie zunächst abgesagte europaweite EM 2020 produziert wurde.
Es beginnt mit einer Erklärung, was es mit Dieter D. Ribbling und dem Dorf der 100 Tore auf sich hat: Ribbling ist ein legendärer Fußballspieler, der nach seiner aktiven Karriere ebenjenes “Dorf” entwarf und betreute, eine Fußballanlage mit Stadion. Nun will sich der alternde Fußballheld aber von dem Projekt zurückziehen, und der neue Besitzer soll in einem Wettkampf ermittelt werden. Die Ankündigung zieht einige Interessenten an, die gänzlich Anderes als Fußball im Sinn haben: Dagobert Duck, Klaas Klever, Mac Moneysac, Kuno Knäul und die Panzerknacker. Tick und Trick sind davon wenig begeistert (Track kann mit Fußball, wie wir in der vorigen Geschichte erfahren haben, nichts anfangen) und lesen dem feinen Hernn Ribbling ordentlich die Leviten. Der ist davon wiederum auch nicht besonders erfreut. Er lässt jedoch zu, dass der FC 313, die neu zusammengestellte Mannschaft von Donald und Dussel, die Liste der Teams komplettiert. Und als er dann schließlich selbst mit eigenen Ohren hören muss, was die anderen Teamchefs mit seinem Dorf der 100 Tore vorhaben, ist er reichlich geschockt…
Teil 2: Die Achillesferse
Ribbling ist fest entschlossen, den FC 313 dabei zu unterstützen, dass das Gelände nicht an die anderen Teamchefs geht, und ist fortan der Trainer des Teams. Als Trumpf zieht er seinen Neffen Achilles aus dem Ärmel, ein echtes Naturtalent. Trick muss dafür auf die Bank und löst aus Versehen eine kleine Katastrophe aus…
Teil 3: Plan 4-3-1-2
Die Frage, warum ausgerechnet die Panzerknacker beim Turnier teilnehmen, ist noch nicht geklärt worden. Hier erfährt man, dass es herzlich wenig mit Fußball zu tun hat, und die Panzerknacker auch kein Interesse an dem Dorf der 100 Tore haben. Nein, es ist viel banaler.
Vielleicht der schwächste Teil der Geschichte, weil ich den Plan in manchen Details etwas seltsam finde (die Rakete). Allerdings ist es cool, mal wieder eine ganze Reihe unterschiedlicher Panzerknacker zu sehen, und wie die nicht nur gleichzeitig stattfindenden, sondern auch in anderer Hinsicht parallelen Handlungen nebeneinander dargestellt werden, ist immer wieder ein hübscher Erzähltrick.
Teil 4: Das Horoskop aus falscher Hand
Es steht das Duell an zwischen Dagoberts Diggern und Klevers Cracks. Dagobert hat Gustav Gans als Trainer verpflichtet, was ihm bisher viel Glück gebracht hat. Klevers Trainer wiederum ist Anwantzer, und der hat eine Idee, wie man dem Glückspilz in die Parade fahren kann.
Ein bisschen seltsam ist auch hier etwas, nämlich die genaue Funktionsweise von Gustavs Glücksfee. Aber darüber sollte man wohl nicht zu viel nachdenken.
Teil 5: Die Entscheidung
Ein unerwarteter Coup verkompliziert die Ausgangssituation für den FC 313. Und nun wird es wirklich ernst…
Bis zum Ende bleibt die Handlung spannend. Und es gibt noch ein paar faustdicke Überraschungen. Ich will nicht zu viel spoilern, aber es findet alles eine runde Auflösung.
Zwischenfazit 2
“Das 100-Tore-Turnier” ist auch insgesamt eine hervorragende Geschichte. Die Charakterzeichnung ist hervorragend. Die Geschichte glänzt nicht zuletzt mit pfiffigen Dialogen (z.B. das leider durch einen Tippfehler verunstaltete “Ach, zwirbeln Sie doch Ihren Schnauzer”), in die auch diverse geflügelte Worte aus der Welt des Fußballs eingeflochten werden, á la “Am Anfang hatten wir schon Glück, aber dann kam bei den Knäuls das Pech dazu”. (Wer derlei Stilblüten mag, dem empfehle ich übrigens die wöchentliche Radiokolumne von Arnd Zeigler, “Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs” – hier in der ARD Audiothek.) Auch Dussel sorgt immer wieder für Momente der Auflockerung – wo er in anderen Geschichten gerne nervt, bringt er mich hier eher zum Schmunzeln (“In dem Fall zeige ich dir die blaue Karte!”).
Donald Soffriti liefert dazu ausdrucksstarke, aber nicht überzeichnete Bilder, die vielleicht etwas zu sehr an den Freccero’schen Vorgaben festkleben, aber die Geschichte durchweg lesbar machen.
Der Sommercup (Kapitel 1-4)
Kapitel 1: Auf eigene Faust
Ein Jahr nach dem ursprünglich geplanten Termin fand die EM dann 2021 statt. Ein Jahr nach dem 100-Tore-Turnier spielt deshalb diese für das verlegte Turnier geschaffene Geschichte.
Die Talente des FC 313 wurden mittlerweile vom SV Entenhausen übernommen, dazu gehören kurioserweise auch Donald und Dussel. Aber es steht Unheil ins Haus, denn der Hutfabrikant Hobart P. Hobbins hat den ganzen Laden gekauft und will, dass “sein” Verein nach Jahrzehnten endlich einen Titel holt, und zugleich auch noch seinen Neffen für Fußball begeistern. Dazu gibt es einen Radikalschnitt: Hobbins schmeißt alle raus und verpflichtet statt dessen vielversprechende Spieler von Gänsfurt sowie den bereits aus der vorigen Geschichte bekannten Trainer Schnurre.
Auf den jähen Schock folgt der Trotz: Da nun der FC Gänsfurt nicht mehr genug Spieler für ein funktionierendes Team hat, formiert sich nun der FC 313 von Neuem und tritt als zweites Entenhausener Team beim Sommercup an.
Kapitel 2: Frust und Frost
Als Erstes geht es in den hohen Norden nach Wintherschlacht. Dort erinnert die Spielstätte eher an Eishockey als an Fußball. Und auch der Trainer Niko Rottweiler, der sich von seinem Knecht, äh Assistenten, Ruprecht immer wieder Eis am Stiel geben lässt und zuhause noch nie verloren hat, sorgt nicht gerade für Zuversicht. Es gibt jedoch Unterstützung von unerwarteter Seite, denn der Oberstwaldmeister des Fähnlein Fieselschweif (der hier übrigens Guido Ganter heißt) stößt zum Team und wird Fitnesstrainer des FC 313.
Kapitel 3: Tanz um Tore
Vom eisigen Norden an den Strand von Santiago di Salsa. Dort spielt das Team formvollendeten Tanzfußball und die Fans tröten um ihr Leben. Wie kann man als Team unter solchen Bedingungen bestehen?
Kapitel 4: Vorwärts, Entenhausen!
Der FC 313 kehrt in die Heimatstadt zurück und trifft auf das – wie oben bereits erwähnt – hochklassig besetzte Team. Ein schwieriges Spiel, zumal das ganze Stadion den SV Entenhausen unterstützt. Und das kann durchaus den entscheidenden Beitrag leisten, gelten die Fans doch nicht zu Unrecht als zwölftes Teammitglied.
Zwischenfazit 3
Es bleibt bis zum Ende spannend, und der Schluss bringt (ähnlich wie schon beim vorigen Mehrteiler) noch zwei überraschende Wendungen bzw. den Sinneswandel einer Figur. Und hier ist das Ganze noch nicht zu Ende: Zwei weitere Fortsetzungen erschienen in LTB 564 und 565. Die Grundlage hierfür wird bereits am Ende mit Dagobert Ducks Ansage gelegt.
Ein Grund, warum “Der Sommercup” mich nicht ganz so überzeugt wie “Das 100-Tore-Turnier”, ist neben der reduzierten Präsenz bekannter Figuren die zeichnerische Umsetzung. Stefano Intini hat einen extrem dynamischen Stil, der prinzipiell gut zur Hektik des Sports passt, aber wie er Gesichter oder Hände ins Unrealistische verzerrt, gefällt mir nicht und macht das Lesen auf die Dauer etwas anstrengend. Teilweise zeichnet Intini auch einfach schludrig: Das dritte Panel auf S. 321 ist ein gutes Beispiel dafür. Sein Eisbär ist auch wirklich hässlich. Aber immerhin haben die Bilder im größeren Format des LTB Extra etwas mehr Platz zum Atmen als bei den Fortsetzungen in der Hauptreihe.
Abschließendes Fazit
Wer das LTB Extra eher als vernachlässigbare Reihe betrachtet, die nur produziert wird, um mit dem WM- oder EM-Fieber Geld zu machen (siehe z.B. LTB Extra 5 mit der außerhalb Italiens wenig passenden “Geschichte der WM”), der dürfte sich von der Qualität dieses Bandes überrascht sehen. Kein Füllmaterial, keine Einseiter, keine Nachdrucke: Einfach nur drei große, lange Erstveröffentlichungen, die durchaus zum Besten gehören, was ich in letzter Zeit an neuen Disneycomics lesen durfte. Während die WM in Katar in einiger Hinsicht kritikwürdig ist, kann ich hier kaum herummäkeln. Fast 400 Seiten für 10€? Aber hallo!
Die beiden Nucci-Epen zeigen für mich (zusammen mit den beiden Fortsetzungen in der Hauptreihe, die erstaunlicherweise das Niveau halten und den bereits eingeführten Figuren noch neue Facetten abgewinnen) vielleicht sogar am besten bisher, warum Marco Nucci so sehr gefördert wird. Hier hat er die Balance zwischen Gags, Spannung und interessanten Plotideen wirklich hervorragend gemeistert. Seine Comics sind mitreißender als manches Fußballturnier – tatsächlich würde ich soweit gehen zu sagen, dass der Sport im LTB selten besser getroffen worden ist.
Ich bin der Meinung: LTB Extra 7 ist Pflichtlektüre – zumindest, wenn man Fußball nicht mit jeder Faser seines Daseins hasst. :)[aawp box =”3841334075″]