Es ist wohl einer der kontroversesten Filme der letzten Jahre – seit dem 20. März läuft Disneys-Live-Action-Remake von „Schneewittchen“ nun in den deutschen Kinos. Doch die Kontroverse konnte auch nach Release des Films nicht gebrochen werden.
Mit einem geschätzten Budget zwischen 240 und 270 Millionen US-Dollar gehört der Film nicht nur zu den teuersten, sondern gleichzeitig bisher auch größten Flops. Einigen Schätzungen zufolge müsste der Film zwischen 500 und 800 Millionen US-Dollar einspielen, um rentabel zu werden und auch beispielsweise seine Marketingkosten zu decken. Aktuell steht der Film nach rund zwei Wochen bei 100 Millionen US-Dollar Umsatz.
Wie der Film „Schneewittchen“ langsam Gestalt annahm
Aber wie kam es zu dieser Bruchlandung an den Kinokassen und diesem Film, der mittlerweile als „Millionengrab“ bezeichnet wird? Dafür muss man in der Zeit zurückreisen. Die ersten Pläne für ein Remake des Disney-Klassikers und ersten abendfüllenden Animationsfilms aus 1937 gab Disney 2016 bekannt. Schon seit Anfang der 2010er-Jahre hatte Disney begonnen, ihre Klassiker noch einmal neu machen zu lassen.
In den folgenden Jahren nahm das Ganze dann langsam Gestalt an. Im Jahr 2019 übernahm Regisseur Marc Webb, das erste Drehbuch kam von Erin Cressida Wilson (später übernahm auch Greta Gerwig), als Produzent sagte Marc Platt zu. Im Jahr 2021 wurde dann Rachel Zegler als Schneewittchen ausgewählt, sowie später Gal Gadot als böse Königin.
Wegen der Pandemie verschoben sich die ursprünglich schon für 2020 geplanten Dreharbeiten, die schließlich erst 2022 nach dem Casting der beiden wichtigsten Schauspielerinnen stattfanden. Im selben Jahr äußerte sich auch Zegler erstmals zum Film – womit die Katastrophe beginnen sollte.
Wie das Desaster begann
Denn Zegler betonte erst, was für eine Ehre es für sie sei, diese Rolle als Latina übernehmen zu dürfen. „Nie in einer Million Jahren habe ich mir vorgestellt, dass dies eine Möglichkeit für mich sein würde“, hatte Zegler damals gesagt. Gleichzeitig fand sie eher harsche Worte für das Original. „Es ist nicht länger 1937“, gab sie an. Gal Gadot verdeutlichte, Schneewittchen werde nicht mehr von einem Prinzen gerettet.
Und weiter: „Sie wird nicht mehr über wahre Liebe träumen, sondern darüber, dass sie die Herrscherin werden wird, von der sie weiß, dass sie es werden kann.“ Dass der Herrschaftsanspruch scheinbar gar nicht hinterfragt wurde, wohl aber der Hauptinhalt des Originals, sorgte bei vielen Zuschauern für Unmut.
Zegler macht sich über das Original lustig – und sagt sogar, Angst davor gehabt zu haben
Die Aussagen sollten jedoch nicht die einzigen bleiben. In anderen Interviews gab sie an, der Prinz sei jemand, der Schneewittchen buchstäblich „stalken“ würde. Das sei „weird, weird“, wie sie spöttisch in die Kamera gestikulierte. Offenbar sollten diese Aussagen lustig sein, sorgten jedoch für das Gegenteil. Als Zegler dann noch angab, das Original sogar gruselig gefunden zu haben und ihn deshalb seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr gesehen zu haben, wurden die Zuschauer erst recht wütend.
Was dann folgen sollten, waren auch diskriminierende Postings gegen Zegler und Gadot selbst. Man ließ kein gutes Haar mehr an den Schauspielern.
Wieso das für die Schneewittchen-Schauspielerin zum Problem wurde
Das Hautproblem für viele war wohl vor allem eines: Die meisten Menschen mögen den Film aus 1937 auch heute noch, viele sind damit aufgewachsen, verbinden gute Erinnerungen damit. Dass die Schauspielerin von Schneewittchen, die sie im Remake verkörpern soll, den Film dann in Interviews schlecht und verächtlich macht, stoß vielen sehr negativ auf.
Doch Rachel Zegler störte das nicht, weiter ihre Meinung zu sagen. Als der Trailer angekündigt wurde, twitterte Zegler ein „Free Palestine“ dazu. Der Produzent Marc Platt soll danach versucht haben, mit ihr darüber zu sprechen – für Gal Gadot, einer israelischen Schauspielerin, wurden offenbar auch deshalb extra Sicherheitsmänner zur Seite gestellt.
Nachdem Zegler sich dann auch noch zur Präsidentschaftswahl von Donald Trump „verunglimpfend“ einmischte („F… Donald Trump“, „Mögen Trump und seine Unterstützer niemals den Frieden erfahren dürfen“), stellte ihr Disney sogar einen Berater für die sozialen Medien zur Seite. Offenbar hatte die Produktion zunehmend Angst, Zegler könnte durch ihre Äußerungen den wirtschaftlichen Erfolg sichtbar schmälern. Doch das war an diesem Punkt schon lange passiert.
Der Release lüftete den Vorhang – und das nicht zum Besseren
Denn mit dem Release wurde dann allen klar: Auch die schauspielerischen Leistungen lassen zu wünschen übrig, das Skript wirkt wenig sensibel umgeändert zum Original und neben Logikfehlern ist das Remake einfach nur „woke“, hinterfragt nicht aber die Herrscher, sondern lobt eher noch Räuber, die über sich selbst lügen, für den König tätig zu sein – der aber gar nicht mehr lebt. Doch die Monarchie rechtfertigt eben alles, es muss nur die richtigen Herrscher geben.
Statt des Herzes eines Rehs, das laut Jäger angeblich das von Schneewittchen sein soll wie im Original, überreicht der Jäger der bösen Königin eine Schatulle mit einem roten Apfel darin. Mehr hielt man offenbar nicht mehr für verkraftbar – was wir auch in unserer Kritik bemängelten.
Neue Äußerungen aus dem vergangenen Jahr von Zegler, trotz ihrer Makel würden die Leute Schlange stehen, um ihre Filme zu schauen, werden in den sozialen Medien mit Videoaufnahmen aus leeren Kinosälen verächtlich gemacht. Der Kinostart kommt eher einer Bruchlandung gleich. Nichtmal zwei von zehn durchschnittlichen Punkten erreicht der Film bei IMDB.
Zegler setzte das Schicksal hunderter Menschen für ihre Äußerungen aufs Spiel
Das größte Problem mögen nicht Zeglers politische Äußerungen gewesen sein, sondern der Umgang mit dem Original, das von vielen Menschen bis heute geschätzt wird. Natürlich darf Zegler sich öffentlich äußern, wie sie das möchte. Sie ignoriert dabei aber eine Art Ehrenkodex unter Filmmenschen, damit nicht eine ganze Produktion und das Schicksal vieler Menschen zu untergraben.
Der Sohn des Produzenten, Jonah Platt, äußerte sich in einem Kommentar auf Instagram ähnlich. Sein Vater, so heißt es in dem Posting, sei extra von seiner Familie weg durch das ganze Land geflogen, um eine 23-jährige Schauspielerin darauf hinzuweisen, sie könne nicht während der Haupt-Bewerbungsphase des Films, der hunderte Millionen gekostet habe, alles mit politischen Kommentaren zunichtemachen. „Das nennt man Verantwortung eines Erwachsenen“, schrieb der Sohn. Das finanzielle Schicksal mehrerer tausender Menschen hinge an dem Film.
Immer wieder taucht Zegler mit ihren persönlichen Botschaften auf
Die Situation erinnert auch ein wenig an die Streiks von Schauspielern und Autoren 2023 in Hollywood. Auch dort tauchte Zegler plötzlich auf und forderte, als Schauspielerin an jede Stunde, die der Film gestreamt werde, beteiligt werden zu wollen. Das sorgte für Aufsehen, da neben ihr Menschen protestierten, dessen finanzielles Schicksal tatsächlich gefährdet war und ist – während Zegler durch ihre Rolle im Film wahrscheinlich schon ausgesorgt haben könnte.
Sie wolle nicht umsonst 15 Stunden in diesem Kleid dort gestanden haben – und erneut entstand der Eindruck, Zegler verabscheue ihre Rolle eher und sähe es als Aufopferung, Schneewittchen im Kleid zu spielen.
Doch zurück in die Gegenwart und den Aussagen vom Sohn des Produzenten. „Narzissmus ist nicht etwas, was man verhätscheln oder womit man kuscheln sollte“, befand Jonah Platt nämlich in seinem Kommentar zum Schluss.
Wieso Schneewittchen nicht hätte scheitern müssen
Dabei ist es auch gerade das Zusammenspiel aller Faktoren – und sein Vater damit sicherlich nicht unschuldig am Misserfolg. Denn gibt es ja positive Beispiele für Remakes, die ihre eigentliche Geschichte mit Respekt zum Original aufbrechen konnten. „Rapunzel – Neu verföhnt„, ist dafür sinnbildlich. Dort sehen wir, dass es auch anders geht – die selbstbewusste Prinzessin, die mit Humor und Charme das Kino eroberte.
Bei Schneewittchen hingegen gelang das nicht. Der Film stolpert über seine eigenen Füße, seine wichtigste Schauspielerin vertieft sich lieber in kontroverse Botschaften und die schauspielerische Leistung und Botschaft des Films ist mindestens fragwürdig. Der Film entstand, als Disney scheinbar nicht nur in einer finanziellen Krise, sondern auch einer mit ihrer eigenen Identität waren – und wir können nur hoffen, dass dies mit den Erfolgen des vergangenen Jahres mittlerweile eigentlich überwunden ist und Schneewittchen nur noch ein Nachwehen.