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LTB Premium + 2: Das große Geheimnis von Micky Maus


LTB Premium + 2: Das große Geheimnis von Micky Maus 919.9.2019, 160 S., 6,99 €

 

 

Episode 1: Das Ende als Anfang

 

Das Schwarze Phantom triumphiert: Es hat Micky ausgelöscht. Na ja, nicht ganz, aber unser aller Held hat sein Gedächtnis und seine Persönlichkeit verloren. Er kommt nach Hause, in ein Leben, das ihm fremd ist. Wer ihm dabei als erstes helfen will? Klar, der beste Freund natürlich. Der heißt Goofy und ist genauso eigenartig wie einzigartig.

 

Wunderbare Eröffnung mit wunder-wunderbaren Zeichnungen vom immer noch meisterhaften Giorgio Cavazzano, dazu mit schönen Schattierungen koloriert. Die ersten drei Seiten spielen gekonnt mit Tabus (ein unbedarfter Leser könnte ähnlich wie Kommissar Hunter glauben, dass Micky womöglich tot sein könnte), danach folgt eine gekonnte Charakterstudie. Eindringlich und einfühlsam sind die wortlosen Szenen (die mich ein wenig an “Anderville” erinnern), in denen man Micky ganz intim dabei begleiten kann, wie er versucht, sich selbst kennenzulernen. Auch Goofy ist ähnlich gelungen charakterisiert wie bei Francesco Artibanis Freund Tito Faraci – Mickys Freund ist kein Depp, sondern einfach ein Unikat, das teilweise philosophisch-tiefgründige Sätze produziert. Die vielen visuellen Gags sind dagegen ganz typisch Artibani (meine Lieblingsszene ist hierbei das Nilpferd gähn). Wie gesagt, ein toller Auftakt, der keine Wünsche offen lässt.


 

Episode 2: Ein Tag wie im Karussell

 

Micky ist besorgt, denn er weiß ja nicht mehr richtig, wer er ist oder war. Wird Minnie ihn noch lieben? Als er zu ihrem Haus kommt, stellen sich aber ganz andere Fragen. Wo ist Minnie überhaupt? Und wer ist Hein Häferl, der sie offenbar entführt hat und Micky zum verfallenen Luna-Park lockt?

 

Wunderbar warmherzige Geschichte mit Zeichnungen von Marco Gervasio, die denen von Giorgio Cavazzano im ersten Teil praktisch in nichts nachstehen. Obwohl die Beziehung zwischen Micky und Minnie im Mittelpunkt steht, gönnt sich Francesco Artibani auch lustigen, albernen Unfug wie die Szenen mit dem Fass oder dem LKW (großartig!!). Sehr schöner zweiter Teil.

 

Episode 3: Hund und Hörnchen in Not

 

Micky und Pluto sind für ein paar Tage in die Berge gefahren. Pluto jagt allen möglichen Tieren hinterher. Als ein Eichhörnchen sich nicht nur mit Nüssen, sondern auch mit Silbertalern wehrt, ist Mickys Interesse geweckt, und er untersucht die Sache…


 

Von der Handlung erinnert das Ganze ein wenig an die alten Krimis aus den frühen LTBs. Das Problem mit der Episode (und auch den folgenden): Dass Micky sein Gedächtnis verloren hat, spielt kaum noch eine Rolle, und die Geschichte wäre wohl auch mit einem “unbeschädigten” Hauptprotagonisten ähnlich abgelaufen.

 

Was die Zeichnungen angeht: Ich werde wohl nie ein großer Freccero-Fan werden. Sein Micky ist mir irgendwie zu grimmig, die Nebenfiguren sehen komisch aus, und das Hörnchen… ohne Worte. Ich habe schon viele Eichhörnchen in freier Wildbahn gesehen, die Ähnlichkeiten zu diesem Wesen hier halten sich wirklich in Grenzen. Immerhin ist die Kolorierung schön anzuschauen. Andrea Freccero hat übrigens auch ein Cover gezeichnet, das auf Seite 2 zu sehen ist.

 

Episode 4: Ein wahrer Vogelschreck

 

Donald hat Micky gebeten, ihm bei der Restaurierung des Felsdenkmals von Randolf Rattmore zu helfen. Das wird von aggressiven Spechten beinahe unmöglich gemacht…


 

Im Prinzip hat Francesco Artibani hier ein paar Carl-Barks-Geschichten verwurstet und neu zusammengesetzt. Der Name Randolf Rattmore ist natürlich eine Anspielung auf die in Stein gemeißelten Präsidentenköpfe am Mount Rushmore (zu denen es übrigens auch mal eine Geschichte gab, siehe LTB 459). Die Figur an sich und die Ausgangslage erinnert aber vor allem an die Barks-Erfindung Senator Schwafelquast, dessen Bildnis Donald auch schon (mit mäßigem Erfolg) restaurieren durfte. Aber auch bei Artibani gab es schon vor Jahren eine ähnliche Situation, erinnert sich noch jemand an “Im Auge des Gesetzes”? Die Spechte wiederum sind sicherlich Verwandte des Barks’schen Herrenspechts.

 

Marco Mazzarellos Zeichenstil sagt mir nicht wirklich zu, der Tuschestrich ist viel zu dick und die Bilder wirken manchmal sogar etwas unbeholfen. Die Kolorierung kann hier leider keinen Boden gutmachen: Viel zu bunt sehen die Panels aus, teilweise auch total unnatürlich koloriert (blaue Schatten, violette Felsen, knallblauer oder orangener Himmel).

 

Episode 5: Der Quell der Jugend

 

Micky kauft eine hässliche Holzfigur. Danach klebt ihm Dagobert Duck an den Hacken und will die Figur unbedingt haben. Es stellt sich nämlich heraus, dass sie den Weg zu einem sagenhaften Schatz weist…


 

Die Katastrophe erinnert stark an die in Castys Werk “Der Herr der Tiefsee”. Damals wurde Casty dafür kritisiert, dass der Schuss einfach durchs Glas ging, obwohl dieses ja enormem Druck standhalten muss. Auch wenn diese Geschichte nicht in der Tiefsee spielt, ist der Kritikpunkt hier genauso valide. (Gleiches gilt übrigens für das ebenfalls von Casty geschriebene “Zu Gast im Orbit”.)

 

Die Handlung wirkt arg gehetzt; vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Artibani das Thema in einer anderen, unabhängigen Geschichte behandelt hätte.  Seltsam auch die bloße Erwähnung von Mack und Muck. Auch wenn es reizvoll ist, Micky und Dagobert zusammen zu sehen, finde ich Mickys Neffen eigentlich wichtiger, und ansonsten kommen ja fast alle wichtigen Freunde und Verwandte von Micky in mindestens einem Kapitel vor.

 

Stefano Intinis Zeichnungen finde ich einfach nur hässlich: Die Münder/Schnäbel und Augen… au weia! Auch die Kolorierung macht nicht viel gut, erneut zu bunt, wenn auch nicht ganz so extrem wie bei der vorigen Folge. Auf der Rückseite des Buchs ist ein von Intini gezeichnetes Cover zu sehen, und Dagoberts Hand zeigt deutlich, warum ich diesen Zeichner nicht mag.


 

Episode 6: Die Königin der Gumpe

 

Micky hat Probleme mit seiner Drohne und bringt sie zu Rudi. Der ersäuft aber schon schier unter Drohnen. Zudem liegt ihm Klarabella in den Ohren, dass er sich auch für sie mal Zeit nehmen solle! Ganz besonders für ihr Restaurantprojekt: Ein alter Dampfer. Gemeinsam versucht man, die alte Dame flottzumachen. Da stößt man auf einmal auf Alligatoreier…

 

Nach drei Episoden, die ich persönlich etwas durchwachsen finde, ist “Die Königin der Gumpe” wieder absolut lesenswert. Zunächst einmal ist die Dynamik zwischen Rudi und Klarabella immer hübsch (zumal beide Charaktere eher unterrepräsentiert sind), und dann stecken in der Geschichte eine Menge witziger Details und Ideen.

 

Auch die Zeichnungen (mein Hauptkritikpunkt bei den vorigen beiden Teilen) überzeugen: Bislang war ich ja kein Fan von Claudio Sciarrones modernem digitalen Zeichenstil, hier gefallen mir die Zeichnungen aber ausnehmend gut – vielleicht liegt es auch an der hübschen Kolorierung? Jedenfalls bestechen sie diesmal, ähnlich wie früher, durch Räumlichkeit und schöne Perspektiven, und die Gesichtsausdrücke sind teilweise einfach herrlich verquer.


 

Episode 7: Flucht durch Zeit und Raum

 

Micky bekommt Besuch von Gamma. Grund: Fips’ Freundin Fipsi hat Probatitis, und der gefährliche Hundefänger und Gestaltwandler Hasso ist hinter ihr und Fips her.

 

Mindestens genauso gut wie die vorige Episode, auch wenn die Geschichte erneut wenig mit Mickys Gedächtnisverlust zu tun hat. Aber Gamma hat man in einer so rasanten und unterhaltsamen Geschichte schon lange nicht mehr gesehen, und über Auftritte von Fips freue ich mich auch immer wieder. Apropos Fips: Ein paar Elemente erinnern an die Trilogie rund um das Kometenmädchen Beta (von Fabio Michelini & Massimo De Vita), als da wären die Fähigkeit, Leute dazu zu bringen, die Wahrheit zu sagen, und der Schlussgag mit Gamma, der seine Tasche ausräumt, um eine bestimmte Sache zu finden.

 

Nach Sciarrone kommt Pastrovicchio, beides Zeichner des “neuen Phantomias”, den Artibani natürlich geprägt hat wie nur wenige andere Autoren. Aber obwohl ich Lorenzo Pastrovicchio sehr schätze, war ich zunächst ein wenig entsetzt: Ist das wirklich von ihm? Ja, ist es, aber er hat wohl einen etwas anderen Strich verwendet. Die Zeichnungen wirken irgendwie eckiger, aber auch peppiger. Ob es nun wirklich nur bewusstes Stilmittel ist oder auch ein Zeichen von altersbedingten Abnutzungserscheinungen, wird die Zeit zeigen.


 

Episode 8: Das Herz der Erinnerungen

 

Professor Wunderlich… ähm, M, ist es gelungen, Plattnases Memowandler zu rekonstruieren, womit es möglich sein sollte, Micky “wiederherzustellen”. Plattnase beauftragt nun Kater Karlo damit, das Gerät zu sabotieren. Er entwendet den Kristall, wird aber schnell von Micky erwischt. Es beginnt eine heftige Verfolgungsjagd, und dann wird es wirklich dramatisch…

 

Am Ende ist die Serie sehr plötzlich vorbei, und als Leser hätte man sich ein paar mehr Seiten gewünscht. Trotzdem ein gelungener Abschluss, der die Verbindung zum Anfang herstellt – und Corrado Mastantuonos Zeichnungen erinnern auch an Cavazzano (aber auch, nicht zuletzt wegen der Szene im Zug, an das von ihm gezeichnete Micky-Mystery-Kapitel “Black Mask”).

 

Was mir nicht gefällt: Dass Professor Wunderlich hier wieder Professor M heißt. Zwar ist der Name in letzter Zeit immer in der Hauptreihe verwendet worden, aber “Professor M” klingt für mich einfach nach nichts, während ich bei “Professor Wunderlich” sofort an Atömchen denken muss. (Sein englischer Originalname ist übrigens ein Wortspiel mit “Einstein”, aber da hatten wir ja auch schon “Zweistein”, “Dreistein” und “Weinstein”…)


 

Fazit:

 

Die Idee, aus den acht von der Disney-Company festgelegten wichtigsten Eigenschaften Mickys acht unterschiedliche Geschichten zu stricken, hätte auch leicht schiefgehen können, aber Artibani meistert die Herausforderung. Jede Geschichte ist in sich stimmig und dennoch Teil des großen Ganzen. Ein bisschen erinnert der Gesamtaufbau daher auch an den “Tierkreisstein”, auch wenn der deutlich länger war.

 

Dass die Serie sich eher an jüngere Leser richtet, kann man daran erkennen, dass die Episoden nicht besonders komplex sind und die Dialoge teilweise arg simpel ausfallen (in den Sprechblasen ist oft viel Platz). Die Kolorierung ist außergewöhnlich (leider werden in der deutschen Ausgabe die Koloristen nicht erwähnt), aber ansonsten ist die Serie das komplette Gegenteil der Premium-“Hauptreihe” (sogar Claudio Sciarrone presst seine Zeichnungen ungewohnt orthodox ins herkömmliche Layout). Während Cavazzano, Gervasio, Sciarrone, Pastrovicchio und Mastantuono klar zu den Großen des italienischen (Maus-)Comics gehören, finde ich die Auswahl von Freccero, Mazzarello und Intini weniger passend. Da wären mir Alessandro Perina (für eines der beiden Duck-Crossovers), Casty oder Silvio Camboni lieber gewesen. Andere Zeichner wie Paolo Mottura, Fabio Celoni, Silvia Ziche oder Stefano Turconi hätten wohl stilistisch nicht so recht gepasst, und Massimo De Vita hält wohl eher wenig von solch modernem Schnickschnack…


 

Trotzdem finde ich “Das große Geheimnis von Micky Maus” durchaus lesenswert und um einiges gelungener als Band 1 der Reihe, “Aus dem Leben des jungen Donald Duck”.

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Spectaculus

Ich lese Comics, seit ich denken kann - oder vielleicht sogar noch länger.
Ansonsten bin ich ein großer Musikfan und mache mir ständig Gedanken über alles und jeden.

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