Comicschau

LTB Crime 4


LTB Crime 4 1312 S., 9,95 €, 16.8.2019

Auf dem Cover haben wir einen Mafia-Dagobert. Auch wenn manche der Meinung sind, dass alle Kapitalisten per definitionem Kriminelle sind, ist Dagobert verglichen mit Konsorten wie Klaas Klever oder Mac Moneysac doch noch recht harmlos. Warum muss er also auf dem Cover einer Reihe stehen, die sich Crime nennt? Na ja, davon abgesehen gut gezeichnet.

 

Ein Fall von Fantasie

 

Ganz schön viel Fantasie muss man haben, um diese Geschichte fürs LTB Crime zu kompilieren! Ob es daran liegt, dass Donald hier mal kurz einen Auftritt in DGD-Manier hat? Eigentlich handelt es sich eher um eine Carl-Barks-Hommage, versteckt in einer Jubiläumsgeschichte, die Sci-Fi vortäuscht, aber eigentlich eine Parodie auf “1001 Nacht” ist. Soweit klar? Nein? Dann: lesen! Denn auch wenn der Comic mit Krimi herzlich wenig zu tun hat, macht er Spaß. Da stört es auch wenig, dass der Witz mit dem Micky-Maus-Magazin (dessen Nummerierung mit dem Jahresbeginn immer wieder bei 1 anfängt) nicht so gut funktioniert wie mit dem italienischen Topolino (das mittlerweile deutlich über Nummer 3000 angekommen ist). Nicht zuletzt sind Roberto Marinis Zeichnungen einfach nur schön.


 

Die beste Sicherheitsanlage

 

Die Panzerknacker haben endlich ihre Lektion gelernt und brechen nicht mehr bei Dagobert Duck ein, sondern haben stattdessen ein Auge auf dessen Konkurrenten Klaas Klever geworfen. Der war bislang auf derlei Angriffe überhaupt nicht vorbereitet (ein bisschen leichtsinnig!) und muss sich nun von Dagobert helfen lassen.

Eine ungewöhnliche und nicht uninteressante Ausgangslage, die auch recht gut umgesetzt wird. Bemerkenswert ist der Abdruck aber auch aus anderem, und zwar traurigem Grund: Nur wenige Tage vor Erscheinen des Buchs verstarb Altmeister Giulio Chierchini im respektablen Alter von 91 Jahren. Bis vor Kurzem erschienen noch neue Comics von ihm im italienischen “Topolino”, und die Anzahl der bei uns noch unveröffentlichten Geschichten von ihm ist so hoch, dass wir sicher noch eine ganze Zeitlang “Neues” von ihm lesen dürfen. Auch wenn diese Geschichte aus seiner Spätphase (genauer: von 2009) stammt und daher zeichnerisch nicht mehr ganz auf der Höhe, hat sie dennoch den so markanten Chierchini-Touch (Schraffuren, Bewegungslinien, perspektivisch betonte Hand auf S. 50 oben links), den man entweder mag (wie ich) oder nicht.

Kleiner Fauxpas: Auf der Wasserflasche (S. 51) steht H²O. Korrekt wäre jedoch H2O!


 

Ein Fall für Micky: Die Suche nach Norbert Niemand

 

“Micky Mystery” heißen zwei Premium-Bände (dazu später mehr), so heißt aber auch die dänische Serie “Ein Fall für Micky”, die von 1994 bis 1996 lief, im englischsprachigen Original. Auch wenn (bis auf eine Geschichte, die laut Peter Höpfner nie fertiggestellt wurde) alle Folgen bei uns erschienen sind, wünschen sich viele einen gesammelten Nachdruck und die Reihe wurde auch schon mehrfach für das LTB Premium ins Gespräch gebracht. Dass man immer wieder einzelne Folgen in diversen Buchreihen nachdruckt, spricht aber nicht unbedingt dafür, dass die Redaktion das für die nahe Zukunft ins Auge gefasst hat. Immerhin ist “Die Suche nach Norbert Niemand” anders als “Das Geheimnis des Grafen” neu koloriert, trotzdem gefallen mir Miguels einfache und streckenweise schludrige Zeichnungen nicht sonderlich gut. Besonders seine Nebenfiguren sehen oft ziemlich hässlich aus und ähneln sich manchmal auch zu sehr.

Interessanter ist da schon der Inhalt: Micky wird von Imbisskellnerin Rosi Ratlos beauftragt, ihren verschwundenen Ehemann Norbert Niemand zu finden. Der Fall ist nicht einfach: Micky bekommt immer mehr das Gefühl, dass Norbert gar nicht existiert. Oder soll es nur so aussehen?

Nicht schlecht, aber auch etwas konstruiert. Da wäre die sehr naheliegende Ähnlichkeit zwischen Micky, Theo Schnüffel und Norbert Niemand, die einige Probleme quasi im Handumdrehen löst. Am Ende sind es auch ein bisschen arg viele Puzzleteile. Immerhin ist der Humor hier mal nicht komplett abwesend wie bei manch anderer EFFM-Folge.


Gut, lesbar, aber nicht richtig mein Fall.

 

Spezialagent Franz Gans: Der Schlummer-Fall

 

Mal wieder eine reichlich sinnentleerte Franz-als-Agent-Geschichte. Es geht um einen Fall von Erpressung bei der, ich zitiere, “Weltmeisterschaft im Ruhe-Bewahren”. Erpresser? Die Panzerknacker, wer sonst. Kandidat und Undercover-Ermittler? Franz Gans, wer sonst. Die Geschichte hat zwar ein bisschen mehr als das zu bieten, aber eben nicht viel. Und in der Mitte bricht sie auch noch plötzlich in eine brutale Schlägerei aus… zusammen mit den uninspirierten Zeichnungen von Marco Mazzarello kein Highlight. Hätte es nicht gebraucht.

 

Die unfassbaren Panzerknacker: Die Tücken der Technik

 

Unfassbar, dass man jetzt sogar schon Einseiter nachdrucken muss. Wieso bloß, es gäbe doch noch eine Menge unveröffentlichter, auch z.B. mit Kater Karlo oder dem Phantom? Oder mit Micky als Detektiv.


Sogar diese DGD-Reihe wäre m.M.n. in Ordnung: https://inducks.org/subseries.php?c=Due+intrepidi+nella+PIA )

 

Kommissar de Mauss: Der Fall Fondant

 

Mit den letzten beiden Folgen “Kommissar de Mauss” konnte ich eher weniger anfangen, diese hier ist aber ein Volltreffer: Nicht nur die Gags sitzen perfekt, sondern auch der Handlungsverlauf überzeugt mich. Mick de Mauss soll auf die wertvollen Skulpturen des Künstlers Frederic Fondant aufpassen, dennoch verschwinden immer wieder welche. Erst durch seine Tollpatschigkeit kommt de Mauss auf des Rätsels Lösung. Und die hat es wirklich in sich!

Toll. Meiner Ansicht nach die bis hierhin beste Geschichte des Bandes. Auch Marco Palazzis Zeichnungen sind eine Freude für die Augen und wirken deutlich lebendiger und souveräner als die von Marco Gervasio.


 

Der erste Ausbruch

 

Kater Karlo erzählt mal wieder einen Schwank aus seinem Gaunerleben. Diesmal geht es um die Anfänge seiner kriminellen Karriere und seinen ersten Ausbruch. Der fand noch zu seiner Schulzeit statt und hing damit zusammen, dass er unbedingt bei einem Theaterstück mitmachen wollte.

Klingt jetzt nicht so spannend? Ist aber wirklich lesenswert. Der Twist am Ende macht das Ganze runder als erwartet. Dazu toll gezeichnet von Giuseppe Dalla Santa.

 

Agentur Herzdame: Diebe für die Liebe

 

Mal wieder eine Geschichte rund um Gitta Gans und ihre Agentur, die in Liebesdingen hilft, wie immer von Sisto Nigro geschrieben. Die Zeichnungen sind von Graziano Barbaro, den ich nicht so sehr mag… seine Bilder sehen immer irgendwie “schlampig” aus, obwohl sie eigentlich nicht richtig schlecht sind; schwer zu beschreiben.


Richtig toll finde ich auch die Story irgendwie nicht. Eine Jenny beschwert sich bei Gitta, weil ihr Verlobter Bob so sehr auf Detektivgeschichten abfährt, dass er andere Leute in seinem Ãœberschwang belästigt und mittlerweile recht deprimiert. Gitta denkt sich deswegen einen Plan aus, wie man ihm ein Erfolgserlebnis bescheren kann… Dussel und Franz sollen so tun, als ob sie den Geldspeicher ausrauben wollen! Und Bob soll sie daran hindern. Man ahnt es: Das kann nicht gut gehen. Und so ist es dann auch.

Nun ja. Nicht ganz schlimm, aber auch nicht richtig toll. Ãœbrigens heißt die Agentur hier, meines Wissens nach fälschlicherweise “Herzass” anstelle “Herzdame”. Halloooo!

 

Der wendige Panzerknacker

(ursprünglich aus LTB 461)


 

Die Panzerknacker befreien ihren Vetter Wendelin Knack aus dem Gefängnis, um sich an Phantomias zu rächen. Denn Wendelin ist ein Meister der Verkleidung und imstande, Phantomias’ Ruf zu ruinieren…

Absurd. Die Idee gab es ja schon öfters, aber selten auf so unglaubwürdige Weise. Hätte man wirklich nicht nachdrucken müssen.

 

Chaos auf den Straßen

 

Gleich noch mal Phantomias, diesmal mit einer wenig nachhaltigen Kurz-Gaggeschichte über unpassende Fahrzeuge. Immerhin sind die Zeichnungen von Gianluca Panniello sehr hübsch.


 

Wahre Geschichten! Das wahre Leben! (1-5)

 

Eine der tollsten Ãœberraschungen im Rahmen des LTB Crime, und in meinen Augen ein wichtiger Kaufgrund ist dieser Block aus fünf Geschichten. Warum? Nun, als 2015/2016 die ausgefeilten Geschichten des “Mickey Mouse Mystery Magazine” zu uns kamen (in LTB Premium 8 und 12), hat man aufgrund der Seitenzahl damals auf den Abdruck der Bonusgeschichten verzichtet. Diese kommen nun endlich, nach mehrfachem Wunsch der Fangemeinde, verspätet zu uns. Wer “Micky Mystery” nicht kennt, dürfte allerdings verwirrt sein, zumal die Redaktion überhaupt keinen Hinweis auf die beiden Premium-Bände eingebaut hat. Immerhin stimmen alle Namen (nur in “Fundsachen” aus Premium 8 wurde Chester noch “Grünspan” genannt…).

Dass sich die Kurzgeschichten um eine Nebenfigur drehen, kennt man ja schon vom neuen Phantomias. Ähnlichkeiten zu den Konrad-Kiwi-Episoden kommen nicht von ungefähr: In beiden Serien geht es um Journalismus, und beide wurden von der sowieso unvergleichlichen Silvia Ziche auf sehr ungewöhnliche Weise gezeichnet und teilweise auch mitgeschrieben. Allerdings ist Kiwi für das Universum des neuen Phantomias deutlich wichtiger. Chester, die Hauptfigur dieser Anderville-Serie, hat in den Micky-Mystery-Hauptgeschichten eine wirklich minimale Rolle und taucht meines Wissens nach nur in “Fundsachen”, “Feuersturm” und “Calypso” mal kurz im Bild auf. Allerdings geht er auch in Little Caesars Dinner und trifft dort die üblichen Verdächtigen (Ray, Dash, Eddie Megget), und auch Starreporter Muck Rakers hat einen Auftritt.

 

Der Knüller

 

Chester Soup ist ein Träumer. Er wäre gerne ein erfolgreicher Journalist, aber er schafft es tatsächlich, immer am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein…! Klingt jetzt doch eigentlich ganz gut? Das Problem ist nur, dass er meistens so verpeilt ist, dass er falsche Schlüsse zieht und seine Artikel am Ende niemanden interessieren. Hier soll er für die “Star Tribune” ein Stück über die Kirmes in Klopptown schreiben. Aber dann landet er in Snob Hill, macht die Bekanntschaft einer rabiaten Katze und sorgt unwissentlich für den Knüller – während der Artikel über die Kirmes untergeht…


Feiner Humor – Silvia Ziche (deren Meisterstück “Der Raub des Jahrtausends” wir ja schon in Band 2 der Reihe goutieren durften) hat hier als Autorin und Zeichnerin in Personalunion gute Arbeit abgeliefert. Dass es noch abgefahrener geht, zeigen die nächsten Episoden…

 

Alles ganz einfach

 

Chester Soup bekommt ein Taxi überlassen. Wir ahnen es: Das kann nicht gut gehen! Und hier passiert wirklich alles Mögliche und Unmögliche (Francesco Artibani macht’s möglich). Dabei spielen ein Bankräuber und ein Mexikaner (?) mit Zahnschmerzen eine große Rolle. Und es wird wirklich wild! Einfach lesen und schockiert sein.

Kleines Detail: Schaut euch mal das erste Panel genau an. Und dann sucht mal die entsprechende Stelle aus “Mausefalle” (LTB Premium 8, ebenfalls von Artibani geschrieben).


 

Eine Prinzipienfrage

 

Ein bisschen Kontinuität und Sinn kommt hier in die Miniserie. Chester Soup schafft das, was von der Star Tribune sonst niemand schafft: Die Party von Arthur Pennyless, dem Herausgeber der Konkurrenzzeitung, zu besuchen. Wenn auch inkognito. Und dort trifft er seine große Liebe Penny wieder – und löst ein Riesenchaos aus…

Alleine bei der Szene mit dem Saxofon habe ich mich einfach nur weggeschmissen. Zum Gackern! Das verfremdete Steinbrück-Zitat ist zudem eine der genialsten Übersetzerleistungen, dir mir in letzter Zeit begegnet ist. Uahahaha!

 

Die Spion-Story

 

Um Chester steht es nach dem Fiasko auf Arthur Pennyless’ Party nicht so gut. Vor allem sein Herz ist so schwer. Dann bekommt er eine Kamera in seine Hände und knipst aus Versehen einen Spion bei der Ãœbergabe geheimer Dokumente. Der nimmt ihn kurz darauf als Geisel, ohne dass Chester auch nur eine Sekund lang kapiert, was los ist…


In gewisser Weise hatten wir die Grundsituation so ähnlich schon mal in “Alles ganz einfach”, aber auch Davide Catenacci kann aus der Lage noch eine Menge irrer Gags herausholen, die auch wunderbar nach Anderville passen.

 

Seite eins

 

Chester und Penny treffen sich wieder. Allerdings hat Chester schon große Probleme mit Elmer Gifford III., oder doch eher mit dessen Sohn, der versucht, Chester recht unsubtil um die Ecke zu bringen.

Heftiger Schlussakkord einer außergewöhnlichen Serie, die sich am Stück am besten liest, alleine aufgrund der vielen Running Gags. Die Kurzgeschichten machen auch noch mal deutlich, wie viel Potenzial noch in Anderville schlummert. Meiner Meinung nach absolut lesenswert und Pflicht für alle Fans der Micky-Mystery-Serie, dabei aber auch gut fürs LTB Crime geeignet (es geht ja per definitionem in Anderville ziemlich kriminell zu). Jetzt fehlen noch zwei Achtseiter, die zusammen die Reihe “Anderville Confidential” bilden und zu zwei Hauptfiguren der Reihe Hintergründe liefern. Aber das Warten ist diesmal nicht so lang, denn die sind für LTB Crime 6 angekündigt.


 

Duck’scher Geheimdienst: Auf falscher Fährte

(ursprünglich aus LTB 292)

 

Nachdem die DGD-EVs im Crime bislang alle ziemlicher Schrott waren, hat man sich wohl entschieden, auf Altbewährtes zu setzen. Aber auch diese nachgedruckte Folge will mir nicht so recht gefallen. Donald und Dussel sollen eine Formel wiederfinden, mittels derer man Talerscheine “bleichen” kann. Dabei geht, man ahnt es, einiges schief…

Immerhin sitzen die Gags, und die Zeichnungen stammen zwar aus Giorgio Cavazzanos schwächerer Phase, aber sind eben dennoch vom Meister.


 

Fazit

 

Auch LTB Crime 4 ist eine wechselhafte Angelegenheit, mit Höhen und Tiefen. Der Kraut-und-Rüben-Ansatz, einfach alle möglichen Geschichten durcheinanderzuwerfen, funktioniert in meinen Augen nur bedingt. Wieder mal bestechen die Duck-Geschichten nicht unbedingt durch überragende Qualität, bei den Comics aus dem Maus-Universum vermisse ich dagegen den ganz klassischen italienischen Micky der Gegenwart ein wenig. Was gibt es? Eine dänische Detektivstory, Kommissar de Mauss, ein Blick in Mickys Jugend und fünf Achtseiter mit Figuren, die teilweise mit Micky in Verbindung stehen. Alles recht gut, immerhin. Immerhin: Laut Peter Höpfner wird die Serie im nächsten Jahr wohl fortgesetzt.

★★★★


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Spectaculus

Ich lese Comics, seit ich denken kann - oder vielleicht sogar noch länger.
Ansonsten bin ich ein großer Musikfan und mache mir ständig Gedanken über alles und jeden.

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