10.11.2020, 6,99 €, 251 (!) S.
Das Cover von LTB 539 ist in Ordnung, aber auch ein klein wenig nichtssagend. Wer das Geld übrig hat, kann sich stattdessen die Collector’s Edition * mit einem Cover von Flemming Andersen leisten.
Zurück am Tatort: Taxi nach Entenhausen
Baröööt! Baröööt! Baa-daa-daa-da! Dum dum dum didel dum dum…
Die Entenhausener Polizei feiert 50. Jubiläum. Das nutzt eine Gruppe von Schurken für sich: Alle Kommissare werden in eine Falle gelockt. Alle? Nein, Kommissar Schimauski kommt zu spät. Und dann ist da ja noch Donald, der weiterhin fest der Überzeugung ist, dass er einen Platz unter den hochrangigen Kriminalbeamten verdient hat. Das sieht Schimauski zwar anders, dennoch ist es letztlich an Donald, die Situation zu retten. Immerhin nutzt die Gaunerbande bereits die Gelegenheit, die Stadt auszuplündern.
Da der erste “Tatort” insgesamt eher behäbig daherkam, war die Überlegung wohl, bei der zweiten Folge nicht nach demselben Muster vorzugehen und stattdessen auf Action zu setzen. Leider hat man aber einen anderen Fehler der ersten Episode wiederholt, nämlich über zwanzig Tatort-Figuren in eine Geschichte zu stopfen. Das führt die ganze Prämisse ad absurdum, denn beim TV-“Tatort” gibt es ja gerade die verschiedenen Teams, die unabhängig voneinander sind. Bis auf Schimauski und zu einem gewissen Grad noch “Mick” prägt keiner der Kommissare irgendwie die Handlung. Die entscheidende Figur ist stattdessen mal wieder Donald, der in der für Gorm Transgaard (der neben Chefredakteur/Ideengeber Peter Höpfner und Redakteurin Stephanie Bens als einer von drei Autoren aufgelistet wird, aber wahrscheinlich für den Löwenanteil der Geschichte verantwortlich ist) typischen Weise etwas unbeabsichtigt durch die Geschichte schlittert, aber dann und wann auch einen lichten Moment hat.
Auf der Habenseite: Die Geschichte ist definitiv nicht vorhersehbar. Die Sprüche sind ähnlich gut geraten wie beim ersten “Tatort” und lehnen sich wohl auch wieder an die Sprechweise der Fernsehvorbilder an (“Pilzfarce”, “Klappspaten”). Und dafür, dass er die Figur meines Wissens noch nie gezeichnet hat, gerät Flemming Andersens Interpretation des Schwarzen Phantoms sehr überzeugend.
Negativ dagegen: Gundel Gaukeleys Mitwirken. Da scheint man es mit der dichterischen Freiheit doch etwas zu weit getrieben zu haben. Dass sie sich mit den Panzerknackern verbündet, gab es ja schon oft, aber noch nie ohne eine Perspektive auf Dagobert Ducks Nummer Eins. Eine Erklärung dafür, wieso sie hier zur beinahe stinknormalen Diebin wird, gibt es nicht, außer dass es eben für Action sorgt. Ähnlich gewollt ist das 50. Jubiläum der Entenhausener Polizei – passt zu 50 Jahre Tatort, macht ansonsten wenig Sinn. Besser eingearbeitet finde ich dagegen die Taxifahrt, die ebenfalls symbolisch wichtig ist: Die tausendste Folge des “Tatort” hieß genauso wie die erste “Taxi nach Leipzig”.
Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit hält das LTB die normal übliche Seitenzahl von 250 nicht ein, sondern ist eine Seite länger. Ob das irgendetwas mit dem Tatort-Vorspann zu tun hat? 31 Seiten ist ja schon eine schräge Nummer, auch wenn die Cliffhanger im Comic sehr natürlich gesetzt wirken und nicht so, als ob man den Vorspann in letzter Minute noch davor gesetzt habe.
Insgesamt ist der zweite “Tatort” mal wieder eine Geschichte, die etwas an ihrer eigenen Ambition scheitert und daran, dass die Elemente nicht so ganz organisch entwickelt werden, sondern eben auf Teufel komm raus zum Tatort-Jubiläum passen mussten. Da ich aber durchaus Spaß beim Lesen hatte, gebe ich mal GUT-
Das Imperium des Konditors
Nach der zweiten Folge der Serie, die eine deutsche TV-Krimiserie parodiert, folgt die zweite Folge einer Serie, die eine sizilianische Krimi-Buchreihe parodiert. Das ist zumindest eine interessante Kompilation, und die Geschichten haben auch noch ein paar andere Gemeinsamkeiten. In beiden treffen Figuren aufeinander, die sonst wenig miteinander zu tun haben. Und beide Geschichten sind etwas überambitioniert. Aber von vorne.
Commissario Malvo Mausalbano ist wieder im Einsatz. Diesmal allerdings muss er von Sizilien nach Entenhausen fliegen, um seiner Haushälterin Elwina zu helfen. Deren Sohn Pascale war in Las Vegas in Schwierigkeiten geraten und hatte sich an Micky Maus gewandt. Micky wiederum hat bereits die Schergen von Pascales Boss, dem italienischen Einwanderer Carmine Crema, auf dem Hals. Pascale war nämlich in die Verstrickungen von Crema hineingeraten. Wie lässt sich das Problem beheben? Micky schlägt einen Profi vor. Also ab in die andauernd blinkende Stadt – Viva Las Vegas! Oder doch eher “sterben in Las Vegas”…?
Nachdem Micky in “Katz und Maus” der “fish out of water” war, der sich mit den sizilianischen Gepflogenheiten arrangieren musste, setzt Francesco Artibani diesmal auf das umgekehrte Konzept, indem er Mausalbano (Topalbano im Italienischen; Parodie auf Andrea Camilleris Kommissar Salvo Montalbano) in Amerika landen lässt, wo besonders Elwina ein paar Klischees über Italiener im Ausland vorführt (und dabei den Entenhausenern ein paar italienische Köstlichkeiten nahebringt). Subtil flicht der Autor aber auch einen politischen Unterton ein: Immerhin zeigt er hier, dass die Mafia auch in den USA ihr Unwesen treibt. Und schlecht ist die Geschichte auf keinen Fall: Als Krimi ist der Comic ähnlich gut geraten wie “Katz und Maus”. Alleine die ungewöhnliche Eröffnungssequenz ist großes Kino von Artibani.
Anders als bei der ersten Episode in LTB 507 stammt die Kolorierung nicht von Mirka Andolfo, sondern von Max Monteduro. Das ist nicht schlechter, aber anders: Andolfos Farbgebung hatte irgendwie noch etwas mehr Charme. Die Zeichnungen von Giampaolo Soldati sind natürlich auch anders als die von Giorgio Cavazzano – etwas stärker überzeichnet, allerdings bei den Figuren immer noch sehr gut. Nur die Hintergründe beherrscht Cavazzano eben doch deutlich besser.
Verglichen mit der eröffnenden Titelgeschichte ist “Das Imperium des Konditors” auf jeden Fall die ausgereiftere und stimmigere Krimigeschichte. TOP-
Phantomias – Der Film
Es soll einen Philm, äh, Film über Phantomias geben, und Donald sieht sich schon in der Hauptrolle, wird aber von Dussel (!) ausgestochen. Als Regieassistent oder so darf Donald aber doch noch mitarbeiten. Die Dreharbeiten werden von Problemen überschattet, welche nicht alle nur auf Dagoberts knausrige Finanzierung zurückgehen. Eine Erpressung bringt das Projekt fast zum Stillstand. Der echte Phantomias ermittelt, gemeinsam mit Dussel…
Eine Geschichte gleichen Titels gab es schon mal – siehe Enten-Edition 1 bzw. Ultimate Phantomias 19, und das Konzept gab es sogar noch öfter. Gabriele Mazzolenis selbstironischer Schreibstil (die herrliche Ironie in den Textkästen!) reicht nicht ganz aus, um das Szenario wirklich spannend zu machen, obwohl der Ablauf zumindest nicht ganz nach Schema F verläuft. Aber gemessen daran, was sonst teilweise für Phantomias-Geschichten grassieren (besonders wenn Dussel mit im Spiel ist), hat diese hier schon einiges zu bieten.
Ottavio Panaros Zeichnungen sind mir teilweise etwas zu locker, unterstreichen allerdings den Humor der Dialoge teilweise sehr gut. Der Name des Schauspielers Gorm Grimgard scheint eine Hommage an LTB-Autor Gorm Transgaard (s.o.) zu sein. Ich vermute, die gab es im italienischen Original so nicht. GUT
Unruhe in der Unterwelt
Die Panzerknacker sind verärgert: Zwei Neulinge in der Entenhausener Ganovenszene vermasseln ihnen das Geschäft. Wenig kollegial fasst man einen Plan, die Störenfriede zu stellen und der Polizei zu liefern. Aber die beiden sind deutlich gewitzter als man dachte…
Ähm, na ja. Ziemlich beknackte Geschichte mit entsprechendem Schluss, die allerdings immerhin von einigen wilden Actionszenen und Carlo Limidos lebendigen Zeichnungen etwas aufgewertet wird. Aber Panzerknacker-“Solo”-Geschichten sind wirklich selten Garant für Qualität. MITTELMÄSSIG
Ein Fantastilliardär auf Abwegen
Dagobert muss ausnahmsweise den Bus nehmen. Das führt zu Kapriolen, wie sie sonst nur sein Neffe Donald erlebt.
Witzige, skurrile Geschichte, die allerdings einen ziemlich übertriebenen und auch nicht sonderlich logischen Schluss hat. Giovanni Riganos Zeichnungen sind gerade noch akzeptabel – die Hintergründe sehen zwar gut aus, die Figuren sind aber teils hässlich deformiert. MITTELMÄSSIG+
Die Farben der Zukunft
Eine Episode aus der im deutschsprachigen Raum bislang leider nur sehr zerrupften Serie “Victorian Ladies” (allesamt geschrieben von Matteo Venerus). Minnies Vorfahrin Minnie Conquete nahm an einer Ozeanexpedition teil, um neue Lebensformen (in erster Linie vom Meeresboden) im Bild festzuhalten. Nicht so einfach, wenn die Mannschaft kurz vorm Meutern ist und dann auch noch ein berüchtigter Orchideenjäger dazustößt…
Wie oft bei Venerus’ Geschichten ist auch diese ein bisschen beschaulich und versucht etwas zu verkrampft, Spannung aufzubauen – aber trotz ihrer Harmlosigkeit vermittelt sie eine gelungene Botschaft. Optisch hab ich so meine Probleme damit, dass Paolo De Lorenzis Zeichnungen oft so aussehen, als ob er die Hintergründe mit Lineal und Geodreieck und einige Figuren mit Schablonen entworfen habe. Das Ganze sieht an vielen Stellen einfach leer und steif aus. Ausnahme sind v.a. einige Panels zu Beginn der Geschichte, die deutlich ansprechender wirken.
Richtig lustig (aber auch ein bisschen bizarr), dass die Matrosen aussehen wie eineiige Schnauz-Zwillinge 🙂 Insgesamt GUT-
Der Mentalist
Mal wieder eine “stumme”, von Enrico Faccini gezeichnete Geschichte: Dussel besucht die Show eines Mentalmagiers. Nach der Show findet Dussel dessen magischen Zylinder und zieht die halbe Welt aus dem Hut. Das weckt schnell die Aufmerksamkeit von weniger arglosen Personen…
Der hochgelobte neue Autor Marco Nucci feiert hiermit sein LTB-Debüt. Gelungen ist der Comic, auch wenn er sich nicht groß von den stummen Comics unterscheidet, die Faccini selbst schreibt. GUT+
Die Sprache der Musik
Donald soll auf Daisys Haus aufpassen, während diese ihre gewonnene Kreuzfahrt genießt. Dann zerdeppert er eine Vase. Ersatz muss her, aber den gibt es nur bei einem komischen Kauz, der sich lediglich über die “Sprache der Musik” unterhält…
Das Ende ist schon nach drei Seiten absehbar. Wie leider oft liefert Autor Giorgio Figus einen Tiefpunkt ab, denn die Geschichte ist ausgelutscht und nicht witzig. MITTELMÄSSIG-
O.M.A.: Die Rückkehr des Gestaltwandlers
Die O.M.A. hat einen brenzligen Auftrag: Der berüchtigte Formwandler Gilor Borax ist von seinem Gefängnisplaneten Zartac 2 entkommen und ist nun mit seinen verbündeten Weltraum-Piraten und einer gefährlichen Waffe wieder zu einer echten Bedrohung geworden. Donald will damit nichts zu tun haben, aber als Dussel den Piraten in die Hände fällt, bleibt ihm kaum noch etwas Anderes übrig.
Nach zwei Standalone-Episoden wagt sich Maya Åstrup an die Fortsetzung eines der wichtigsten Handlungsstränge der O.M.A.-Welt: Gilor Borax war einer der ersten Gegner der Organisation für paranormale Bedrohungen und sein erster Auftritt ist nun auch schon fast zwanzig Jahre her. Gemessen daran wirkt die Geschichte etwas überhastet und die Bedrohung wird ziemlich schnell neutralisiert.
Dass Donald am Anfang so dermaßen viel Angst hat, passt irgendwie nicht so ganz zu seinem Verhalten in der Serie. Andererseits gibt es eine gelungene Charakterisierung kurz nach Entdeckung des Omega-Kristalls. Am Ende wird eine erneute Fortsetzung “angedroht”; mal sehen.
Nachdem er sich in letzter Zeit eher rar im LTB gemacht hat, ist das dänische Urgestein Flemming Andersen diesmal gleich doppelt in einem Band vertreten. Mit 57 Seiten ist sein Anteil in diesem Band damit recht hoch, “Das Hexenlicht”, “Der Dieb von Bagdad”, “Der Schatz der Inselgötter” oder “Achtung, Aufnahme!” waren allerdings noch länger. Zeichnerisch finde ich seine aktuellen Arbeiten gut, wenn auch nicht besonders auffällig – weder positiv noch negativ. Bei einigen ganzseitigen Panels und den Verwandlungen von Gilor Borax konnte er sich aber natürlich austoben, was mit dazu beiträgt, dass “Die Rückkehr des Gestaltwandlers” einen deutlich anderen Leseeindruck hervorruft als “Taxi nach Entenhausen”. GUT-
Die Wippschwänzige Wirrschopfschnepfe
Ungewöhnlich dann der Abschluss: Dagobert nervt einen Parkbesucher mit seiner Zeitungsschnorrerei so sehr, dass der in mit einer selbstgedruckten Zeitung veräppelt. Fortan zerlegt der Multimillionär Sitzmöbel, kauft gebrauchte Mülltonnen, stößt seine Ölquellen ab und geht auf Seefahrt, um nach der Wippschwänzigen Wirrschopfschnepfe Ausschau zu halten.
Blasco Pisapia macht schon seit einiger Zeit als Autor und Texter in Personalunion mit einem Stil von sich reden, der sich deutlich von den meisten anderen italienischen Kollegen unterscheidet. So hat auch “Die Wirrschwänzige Wippschopfschnepfe” einen klassischen Anstrich, der an amerikanische Comics der 50er und 60er gemahnt. Die ziemlich sprunghafte “Cartoon-Logik” des Comics wirkt ebenfalls wie aus der Zeit gefallen – ich fühle mich an Romano Scarpas Frühwerk “Der Geldvirus” (alias “Das Talervirus”, jaja…) erinnert. Gemessen daran ist der Comic eigentlich wirklich gut, die Zufälle sind aber dann doch ein bisschen arg viel. GUT
FAZIT:
LTB 539 geht nicht auf Nummer Sicher, auch wenn wohl nur “Das Imperium des Konditors” wirklich herausragend ist. Egal, was man sagt, keine Geschichte spult nur ein altbekanntes Standardmuster ab. Phantomias’ Verfilmung ist nahe dran, aber die witzigen Monologe und die clever aufgebaute Handlung bewahren die Story davor, im reinen Gagstory-Sumpf zu versinken. Über die Titelstory kann man geteilter Meinung sein; ich finde sie nicht komplett misslungen, aber man merkt den neueren Egmont-Storys leider oft an, dass sie “konstruiert” wirken und (bei der O.M.A.-Episode noch deutlicher) gerne mal unter den Seitenzahlbeschränkungen leiden. Band 539 ist insgesamt auf einem ähnlichen Niveau wie der Vorgänger.