Es ist ein Gefühl, mit dem man mittlerweile wohl kaum noch allein sein wird. Die neusten Wilsberg-Folgen fühlen sich immer trockener an und sind mit den alten Episoden von vor einigen Jahren kaum noch zu vergleichen. Es scheint fast so, als ob dieser Trend immer weiter gehen würde und jede neue Folge die vorherige im Negativen schlagen würde. Aber woran liegt das?
Es ist unbestreitbar, dass die Serie Wilsberg vom ZDF seit Jahrzehnten zu den wohl populärsten des Landes gehört. Die Folge „Aus heiterem Himmel“ erreichte im Mai 2021 zum Beispiel mit 8,11 Millionen Zuschauern einen Marktanteil von 26,5 Prozent. Bereits seit 1995 läuft die Serie nun, anfangs noch mit leicht anderer Besetzung (Folge 0), dann mit abgeänderter Story und den Protagonisten, wie wir heute kennen – Georg Wilsberg, Anna Springer, Overbeck, Alex Holtkamp, am Anfang noch „Manni“ Höch und einige Jahre später dann auch Ekkehardt Talkötter.
Beim Humor scheint die Luft raus zu sein
Und man muss nicht lange um den heißen Brei herumreden, um zu sehen, dass irgendetwas falsch läuft. Dass vor einigen Folgen Alex Holtkamp nach Jahrzehnte langer Teilnahme an den Wilsberg-Folgen durch die Staatsanwältin Tessa Tilker ersetzt wurde, mag vielleicht nach einer so langen Zeit durchaus normal sein, doch schon bei der Etablierung von „Kollegen aus Bielefeld“ merkte man, dass hier dringend nach neuem Stoff gesucht wurde, den man sonst nicht mehr finden konnte.
Während Bielefeld anfangs vor allem ein Witz war, den man humoristisch und gut verpackt in die Folgen eingebunden hatte, ob jetzt bei einer der wohl besten Folgen „Oh du Tödliche“ oder in der „Bielefeld-Verschwörung„, wurde es zuletzt immer mehr zum Dreh und Angelpunkt der Story – das zerstörte dann jedoch auch den Metahumor und Mythos, den die Stadt stets mit sich trug.
Es zeigt aber gut, dass man vielleicht schon verzweifelt nach Möglichkeiten und Orten sucht, um die Folgen noch spannend zu halten. Oft werden auch politische Themen eingebunden, die man vorher nur indirekt gewöhnt gewesen war – ein Beispiel dafür ist die Folge „Überwachen und belohnen„, die die Etablierung eines Sozialkreditsystems beinhaltet. In dieser ist Georg Wilsberg aufgrund Wasserschadens sogar gezwungen gewesen, sein Antiquariat zu verlassen und eine andere aufzusuchen. Mehrwert dieser Wohnortsänderung? Gar keiner. Zur Story hat es de facto rein gar nichts beigetragen.
Wilsberg-Folge „Ungebetene Gäste“ kann schon fast als Tiefpunkt bezeichnet werden
Ohne dabei abwertend gegenüber der Arbeit des Teams sein zu wollen, ist die letzte Folge „Ungebetene Gäste“ jedoch fast schon ein neuer Tiefpunkt dieses Trends. Ansatzweise Humor bieten maximal noch die Einwürfe Kommissar Overbecks, der sich jeher mit seiner selbst verliebten, egomanischen Art in die Fälle einbindet und meist exakt gar nichts dazu beiträgt, dafür aber für Chaos sorgt.
In der Folge befinden sich Wilsberg und Ekki aufgrund des Schutzes von „Dr. Tilker“ erneut in einer größeren Villa, in der sie sich bereits zwei Folgen vorher befunden hatten, weil Overbeck hier einen Workshop halten sollte. Der Handlungsort ist also wieder der gleiche, Kommissarin Springer wird, wie in der Folge zuvor, kaum eingebunden und die Story bezieht sich vor allem darauf, ständig alle Zimmer zu überprüfen und die Protagonisten von Zimmer zu Zimmer laufen zu lassen. Das ist übrigens ebenfalls Inhalt zwei Folgen davor gewesen, nur mit anderen Nebendarstellern.
Und das wäre ja noch alles verzeihlich, wenn wenigstens die restliche Story Sinn ergeben würde oder sich nicht komplett widerspräche. Die Frage ist nämlich, warum man nicht einfach aus der bedrohlichen Lage in der Villa verschwindet (denn die akut bedrohte Dr. Tilker hat hier keinerlei Mehrwert, man braucht sie schlicht nicht für die Überführung der vorher noch unschuldigen Täter), wieso die Polizei („Verstärkung“) mal wieder erst ganz zum Schluss gerufen wird und in welcher Welt dieses wilde Story-Durcheinander ansatzweise einen Mehrwert haben sollte?
Wo man sich zuletzt Immobilienhaien zugewandt hatte, das Bankwesen kritisierte oder eben ein Sozialkreditsystem in Münster etablierte, scheint man jetzt nicht einmal mehr den politisch-moralischen Anspruch zu pflegen, dem zuvor der Humor weichen musste. Da fragt man sich: Wo will man denn noch hin?
Zuschauer immer unzufriedener mit neuen Folgen
Schaut man derweil auf einigen Rezensionsseiten oder auf gängigen sozialen Netzwerken, findet man einige Beobachter, die diesen Trend ebenfalls bemerkt haben – ehrlich gesagt, man müsste auch sehr neu dabei sein, wenn man es nicht gemerkt haben sollte. Wer eine Wilsberg-Folge noch ohne Langeweile aushält: Respekt! Ihre Anforderungen müssen wirklich weit unter null liegen.
Neben den Faktoren, dass Wilsberg auch immer weniger Bewegung an den Tag legt und mitunter emotionslos schaut, die neuen Kommissare aus Bielefeld sich kaum richtig in die Story integrieren konnten und gefühlt jede Folge neue dauerhafte Nebendarsteller hinzukommen, um zu retten, was noch zu retten ist, ist die Storyline kaum noch so verknüpft und nahezu perfekt, wie sie es einmal war.
Mit Kreativität, Charme und Witz konnte man damals noch das wohl eher kleinere Publikum einfangen, das jedoch rasant wuchs. In den Folgen verband man mit intelligentem Humor verschiedene Themes, setzte auf ungünstige, unrealistische Zufälle und schaffte auf diese Weise eine tatsächlich wertvolle Krimi-Komödie. Der Witz war hierbei meist vorherrschend, der Krimi ordnete sich dem unter. Von dieser Maxime ging es jedoch zunehmend zu mehr politischen Folgen, die sich mehr dem Krimi und der Gesellschaftskritik verschrieben, bis es jetzt schließlich an einer Stelle angekommen ist, wo es weder noch richtiger Krimi ist, noch eine Komödie.
In der letzten Folge gab es dann nichtmal mehr einen Toten – und das wäre auch gar nicht schlimm, wenn die Story ansonsten einiges zu bieten hätte. Das hat sie aber einfach nicht. Wilsberg motivierte vorher zum Anschauen, gerade durch den speziellen Humor. Doch die meisten Witze sind ausgelutscht, zu oft erzählt, um sie einfach zu wiederholen – das weiß man auch beim Autorenteam, aber ersetzen konnte man das bisher nicht. Stattdessen produziert man einfach weiter.
Fazit: Lohnt sich ein Wilsberg so überhaupt noch?
Es stellt sich so jedoch die Frage, ob man das Format nicht einfach hätte beenden sollen, als es am besten war. Wer ehrlich ist, konnte schon länger beobachten, wie das Format seit wenigen Jahren langsam immer langweiliger und unkreativer wurde – zuletzt fiel man dann noch rasanter ab, weil zusätzlich zum verschwindenden Humor auch noch die Restelemente langsam abhanden kamen.
Natürlich mag es Pandemie bedingt schwieriger gewesen sein, eine neue Folge zu filmen (andere Reihen haben das jedoch auch hinbekommen), aber hier geht es nicht nur darum, dass man an Kontaktbeschränkungen gescheitert ist, sondern auch, dass man offenbar einfach nicht mehr weiß, welche Geschichten man noch erzählen könnte mit Wilsberg, Ekki und Co.
Schöner wäre es vielleicht, wenn die Folgen wieder wirklich frischen Wind bekämen, nicht nur neue Protagonisten, die alte ersetzen sollen und man sich wieder auf den eigentlichen Hauptpunkt, den Humor, zurückfinden könnte. Vielleicht ist es aber auch einfach Zeit, dass man loslässt und Wilsberg nach gut acht Staffeln beendet. Macht man nämlich weiter wie bisher, werden darunter auch alte Klassiker leiden. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.