Es ist wohl kein Geheimnis mehr, dass auf Twitch aktuell eigenartige Dinge passieren. Aus Trotz, und weil man sich beweisen wollte, hat man jahrelang nicht durchgegriffen bei Inhalten, die vor allem Nacktheit beinhalten. Dabei müsste klar sein: Das muss aufhören, wenn Twitch noch ernst genommen werden möchte.
Ursprünglich war Twitch mal eine Plattform von Gamern für Gamer. Diese Zeiten sind lange vorbei, längst dominiert die “Just Chatting”-Kategorie die Plattform. Sie ermöglichte es, dass Twitch auch außerhalb der Gaming-Industrie wachsen konnte.
Twitch darf es nicht allen recht machen wollen, “Topless Meta” muss enden
In den letzten Wochen und Monaten hat man aber immer mehr den Eindruck, man hätte sich auf die falsche Website verirrt, wenn man sich Twitch anschaut. Frauen, die halbnackt in Pools sitzen oder sich absichtlich so in der Kamera platzieren, dass man das Verbot von Nippeln in Livestreams noch umgehen kann. Für Gaming-Content muss man an manchen Tagen wirklich aktiv suchen.
Erst vor kurzer Zeit passte Twitch die Regeln ein wenig an. Man könnte meinen, um die Probleme mit zunehmender Nacktheit auf der Plattform zu bekämpfen – aber nein, das Gegenteil ist der Fall. Man erlaubte nur noch mehr Nacktheit, unter anderem vollkommen erlaubte gezeichnete Nacktheit. Schon nach wenigen Stunden musste man diese Regel jedoch zurückziehen, weil die Creators diese erneute Lockerung dermaßen ausnutzten, dass man quasi überall das sehen konnte, was jeder auch erwartet hätte. Nur offenbar Twitch nicht.
Wer sich noch an Tumblr erinnert, kann sehen, wie die Probleme losgehen, sobald Plattform Nacktheit oder noch Expliziteres erlauben. Hat man die Geister erst einmal losgelassen – obwohl man davor damit nicht zu tun hatte – so wird man sie nicht mehr los. Im Fall von Tumblr verschwand der Großteil der Nutzerschaft, als man dann wieder die Zügel in die Hand nahm und die Sache von einem Tag auf den anderen bannte. Mittlerweile ist Nacktheit sogar wieder erlaubt.
Unverhältnismäßige Twitch-Bans, statt an den richtigen Stellen
Eigentlich hätte Twitch Tools, um die Probleme der Plattform in den Griff zu bekommen. Es ist ja auch nicht so, dass Twitch nicht dafür bekannt wäre, regelmäßig den Bannhammer zu schwingen. Doch irgendwie trifft es damit fast nie diejenigen, die es in Augen der meisten Zuschauer am ehesten verdient hätten.
Oft ohne Grund und Clip der Missetat werden Streamer von der Plattform gefegt, die für Twitch nicht mehr haltbar erscheinen. Das sind nicht selten sogar solche, die exzessive Nacktheit auf der Plattform vorher kritisiert haben.
Neue Streamer auf Twitch haben es schwerer denn je
Doch es gibt auch noch andere Probleme auf der Plattform. Als kleiner Streamer, der neu anfängt, dürfte man es heute so schwer haben wie noch nie. Seine Zuschauer muss man sich auf anderen Plattformen suchen, ansonsten muss man nicht erwarten, in irgendeiner Weise Unterstützung im Aufbau einer Community zu erfahren.
Das ist auch deshalb schade und unfair, weil Plattformen wie YouTube durch ihre Algorithmen seit Jahren immer wieder kleine Kanäle pushen. Andere Plattformen schaffen so immer wieder neue aufsteigende Stars, auf Twitch muss man in Streams größerer Streamer vorkommen, um überhaupt eine Chance zu haben.
Auf der anderen Seite existiert auf Twitch ein Wettbewerb unter Streamern, wer mit mehr Nacktheit durchkommt und auf der Plattform bleiben darf. Meistens gibt es aufseiten der Streamer hierbei nur Gewinner, denn Twitch passt notfalls die Regeln einfach an, damit noch mehr geht. Dabei ist genau das die falsche Entscheidung.
Denn am Ende wird Twitch, die Geister, die man rief – vielleicht auch aus Angst, einen Shitstorm zu riskieren, weil man irgendwen in irgendwas beschränkt hat, was eigentlich nie auf die Plattform passte – nicht mehr loswerden. Nicht umsonst ist unter deutschen Streamern bereits länger eine neue Plattform im Gespräch und einige US-amerikanische haben bereits Deals mit Konkurrenten unterzeichnet.
Bisher hatte es Twitch immer geschafft, als Gewinner gegen andere Plattformen hervorzugehen. Dieses Mal aber könnte es brenzlig werden.