Kennt ihr das, wenn ihr vor dem ESC sagt “Naja gut, der Song ist kein so großer Kracher” und dann trotzdem enttäuscht von der Position seid? Der Eindruck, dass Jendrik gar nicht gewinnen konnte, weil er der deutsche Kandidat war? Irgendwie beschleicht einen dieses Gefühl jedes Jahr. Die Beiträge waren zwar nie spitze, aber im Gegensatz zu den Anderen hätte die Position immer besser sein können/sollen. Auch wenn man wirklich unterstreichen muss, dass dieser ESC Musik-technisch schon wirklich spitze gewesen ist und man selten so ein großes, schönes Angebot bekommen hat.
Wie sah es bei den anderen Teilnehmern des ESC 2021 aus?
Dass Italien den Sieg jetzt nach Hause geholt hat, fand ich zwar nicht ganz berechtigt, aber gut, das mag Meinungssache sein. Dass die politische Ader aber mal wieder ganz groß mitgespielt hat, das sollte wohl auch diesmal wieder klar gewesen sein. Die Rebellen, die mit der italienischen Regierung unzufrieden sind, wurden sicherlich auch viel mit Punkten für diese Einstellung belohnt. Dass es sich dabei um Emos, oder Punks, wo auch immer da der Unterschied sein mag (Achtung, Sarkasmus) handelte, ist wieder eine andere Sache.
Aktuell sieht man sich bei den Italienern ja sogar mit Drogenvorwürfen konfrontiert, weil angeblich zu sehen war, dass der Lead Artist sich mal kurz ‘ne Line gezogen hat während er auf der Couch saß. Selbst beteuert er, er hätte lediglich das zerbrochene Glas seines Teammates aufheben wollen. Was jetzt genau stimmt, wird sich wohl noch zeigen – oder auch nicht, weil die Aufnahmen jetzt auch nicht die größte Premium-Qualität haben.
Ich als jemand, der den englischen Beitrag der UK aber eigentlich am besten fand und sogar dafür abgestimmt hat, hat natürlich richtig in die Röhre gucken müssen. 0 Punkte, ernsthaft? Das Lied war doch toll. Und die 3D-Modelle der Trompeten, die James Newman über sich hängen hatte, waren auch spitze. Ich fand, dass der Beitrag zumindest im Mittelfeld hätte landen müssen. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass die UK kein EU-Mitglied mehr ist und die Leute sich deshalb dafür entschieden haben, mal wieder politisch, wie auch sonst, eine Reise auf den letzten Platz zu buchen für die angelsächsischen Genossen.
“Gute Laune”-Lieder, wie auch der deutsche von Jendrik, scheinen nicht zu ziehen
Wie die UK, hatte auch Deutschland einen “Gute Laune”-Beitrag. Da wir politisch aber durch unsere Präsenz in der EU offenbar doch noch beliebter als die Briten sind, haben wir es damit sogar auf den vorletzten Platz geschafft – juhu! Endlich nicht mehr Letzter!
Hate durften wir jedoch trotzdem fühlen, da hat auch der Gesang dagegen nichts geholfen. Zumindest würde ich den vorletzten Platz, trotz durchweg guten Songs, als eine kleine Beleidigung bezeichnen. Natürlich wussten wir, dass wir hiermit nicht gewinnen würden, auch wenn, wie ich in meinem Chancen-Bericht hier erwähnte, davon ausging, dass der Song vielleicht doch den Zeitgeist treffen könnte. Letztendlich konnte aber weder Drama aus Frankreich, noch gute Laune aus Deutschland und der UK, Emotionales aus der Schweiz (wobei der Kandidat bei der Punkteauswahl doch sehr unsympathisch dreinschaute), sondern Punk-Rock aus Italien gewinnen.
Vielleicht ist es auch einfach die Hoffnungshaltung, dass man doch nochmal etwas schaffen könnte, einfach, weil man anders ist. Denn Jendrik stach mit seinem Beitrag schon heraus aus der Menge und sorgte damit auch dafür, dass er vielleicht eher auffallen würde. Das ist aber schiefgelaufen, bzw., das Konzept ist nicht aufgegangen, was schade ist.
Ich halte es aber für möglich, zu gewinnen
Und trotzdem denke ich schon, dass es, auch wenn Deutschland nicht sehr beliebt zu sein scheint, schon von Hause aus, irgendwie möglich sein muss dieses Ding noch einmal zu gewinnen. Michael Schulte zeigte damals ja auch, dass eine Top 5-Platzierung durchaus noch möglich ist. Man muss dafür aber wirklich versuchen auch den Zeitgeist zu treffen, eine Message zu haben und diese auch gut nach außen zeigen zu können. Sachen, die auf Jendrik zwar zutrafen, vielleicht aber einfach nicht aktuell genug waren. Ob wir mit dem eigentlichen Beitrag von 2020 Erfolg gehabt hätten, mag ich zwar auch zu bezweifeln, aber das hätte mal wohl selbst sehen müssen.
Fakt ist jedoch, dass wir lernen sollten, dass es nicht darauf ankommt das nachzuahmen, was andere aus dem vorherigen Jahr gemacht haben, sondern, dass wir tendenziell bei unserer Strategie bleiben sollten immer etwas Neues, Frisches zu versuchen. Damit steigen die Chancen nämlich tatsächlich. Auch, wenn wir damit schlechtere Platzierungen riskieren. Den Auftritt von Jendrik fand ich allerdings trotzdem gut, weil er einfach gute Laune machte und durchaus musikalisch auch interessant, weil abwechslungsreich, war. Natürlich nichts komplett Neues, aber interessant gestaltet – und mehr als 3 Punkte wert.
Auf eine politische Message kann man wohl allerdings nicht verzichten und vielleicht war es das, was uns am Ende des Tages nach hinten verdammt hat. Einfach Musik, die ins Nichts zielt und vielleicht so ein paar Alltagsdinge abholt, scheint einfach nicht zu ziehen. Etwas, was den Leuten etwas sagt und zeigt, dass man etwas machen sollte, schaut schon vielversprechender aus. Letztendlich werden die entscheidenden Stimmen nämlich am Ende, wie sich auch dieses Jahr wieder zeigte, durch das Publikum geholt und nicht durch die Experten-Jury. Bewertet wird entsprechend immer auch der politische Background. Und da hat es bei uns aus dem Publikum für nur 0 Punkte gereicht – hier müssen wir also ansetzen.
13 Kommentare
Ihr müsst euch mal die Diskussionen unter dem Spiegel-Artikel geben
https://www.spiegel.de/kultur/musik/eurovision-song-contest-2021-xxx-ist-esc-gewinner-deutschland-vorletzter-a-45780209-94de-4081-ae03-0d63571f0f78#kommentare
Anscheinend ist unsere Kanzlerin entweder daran schuld, dass der Song nicht gut war oder dass wir keine Punkte bekommen haben oder an allem zusammen 😵
Muahahaha
Isch zidiere:
“Was hat Frau Merkel mit dem Song und seiner Platzierung zu tun. Hat sie ihn etwa geschrieben?” – “Nur die Melodie. Der Text ist von Jogi Löw.” 😂
Wer sich die Diskussionen öfter durchliest, erkennt da bereits Muster.
Ach ja, die Briten haben wohl auch einen Narren an dieser italienischen Band gefunden, die ja immerhin eine eigentlich urbritische Musik spielen:
“Eurovision winners band Måneskin hit the Official [UK] Chart for the first time with Zitti E Buoni, landing at Number 17 – the highest-charting Eurovision winner since Måns Zelmerlöw’s Heroes in 2015.“
Ich hoffe mal, dass England nächstes Mal einen Rocksong ins Rennen schickt. 👍
Du bist ernsthaft der Erste, der dem UK-Beitrag auch nur irgendwas abgewinnen kann. 🤔 Meine Mutter meinte, der Song habe gar nichts. Und die Trompeten fand ich bestenfalls kurios. Den anderen Ländern ging es wohl mit unserem Beitrag und dem wandelnden Mittelfinger ähnlich… ganz ehrlich, das war eine Schrottidee, auch wenn es für ein paar lustige Memes gesorgt hat.
Und meinst du wirklich, dass die politische Message so wichtig war? Bei den Beiträgen, die in der Landessprache gesungen sind, kann das doch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Geh mal nicht davon aus, dass alle, die für Italien abgestimmt haben, auch den Text verstanden haben (ich wäre da ein gutes Beispiel).
Ach ja, Måneskin sind weder Emo noch Punk, sondern guter alter Glamrock.
Ich fand’s nur schade, dass Portugal so wenige Punkte vom Publikum bekommen hat…
Ja, der UK-Beitrag war in meinen Augen auf jeden Fall gut. Vielleicht nicht der beste, aber gut genug, um wenigstens einen Punkt oder ein paar mehr zu bekommen – so auch unserer. Die Idee mit dem Finger war eine komische Idee, aber ganz ehrlich, so versteift darf man das nicht sehen, ich bin auch irgendwie froh, dass man das gemacht hat. Das Team um Jendrik hatte Spaß und das ist die Hauptsache, gewonnen hätten wir ja so oder so damit nicht. Ob mit Mittelfinger oder ohne.
Tatsächlich wurde vor dem Beitrag in allen Ländersprachen, auch der deutschen, gesagt, dass sie gegen die Regierung sind und lieber etwas Neues haben wollen. Klar, es hat auch Rock ‘n’ Roll eine größere Rolle gespielt, da es sehr beliebt war, aber das hat sie dann von Finnland eben abgehoben. In der unkommentierten Live-Fassung des ESC wurde das natürlich nicht ausgestrahlt, die Meisten schauen ja aber in ihrer eigenen Ländersprache mit Kommentar zu. Und dass der politische Aspekt zunehmend wichtiger geworden ist, das sieht man ja zweifelslos an fast allen Gewinnern oder Besser-Platzierten in den letzten Jahren. Das abzustreiten wäre schlichtweg Realitätsverweigerung.
Und was Måneskin ist, ist am Ende des Tages ja auch egal – ihr Beitrag war sehr gut, auch politisch und am Ende des Tages hat die Kombination ihnen den Sieg gebracht. Ein paar sarkastische Witze können sie also vertragen 🙂
“Love is on my side” hätte ich im Ranking aber auch deutlich lieber weiter oben gesehen. Aber naja, Rock kommt einfach besser an aktuell, wie es scheint.
Mir ist der Kommentar dann einfach nicht aufgefallen, kann passieren.
Aber ob wir daraus etwas lernen können? Das letzte Mal, dass die anderen Länder eine politische Botschaft von uns hören wollten, war “Ein bisschen Frieden” 1982. Und die Songs von uns, die in den letzten Jahren gut ankamen, waren allesamt unpolitisch – “Just Can’t Wait Until Tonight”, “Satellite”, “Standing Still” und “You Let Me Walk Alone”. Was diese Songs allerdings alle gemeinsam haben, ist ein gewisser internationaler Anstrich.
https://en.wikipedia.org/wiki/Germany_in_the_Eurovision_Song_Contest
Jendrik war okay. Auch der ESC war in diesem Jahr zwar technisch gesehen gut gemacht und hatte auch gut gemachten Songs, aber ich fand doch das meiste eher generisch und ziemlich typisch.
Naja dennoch war es ganz nett, auch wenn ich selbst bisschen enttäuscht war das Italien mit deren eher Punk typischen Musik den Sieg erreicht hat.
Aber an sich, es war nett und hat auch paar ganz gute, die mehr oder weniger nicht so generisch waren
Ich fand ziemlich viele wirklich gut.
Beachtlich fand ich auch, dass teilweise so viel Effekte verwendet worden sind wie selten. Normalerweise hat man schön Video im Hintergrund, vielleicht wie 2015 noch so eine Animation, aber das war es sonst auch schon. Deshalb ja, technisch gut gemacht stimmt schon. Und Musik-technisch auch spitze, selten so viel Auswahl, fand ich zumindest, und dann noch so gute.
Ja schon, objektiv gesehen war es verdammt gut
Subjektiv für mich zumindest, war es nette Unterhaltung.
Dennoch war nice es sich zugeben und zusehen wer nun gewinnt
2016 waren die Animationen auch schon so extrem wie heute. Weiß ich, weil das einer der wenigen ESCs ist, die ich im Fernsehen mitverfolgen konnte.
Im Hintergrund, aber nicht eingeblendet als 3D-Modell neben der Person und dann durch den Raum fliegend. Das war damals etwas Neues und zusammen mit dem gelungenen Song hat das viele überzeugen können.