Den Oscar als bester Animationsfilm hatte „Flow“ schon in der Tasche, bevor er hierzulande überhaupt gestartet war – sowie diverse, andere Preise, insgesamt über 80 davon. Es ist das erste Mal, dass der international bekannte Preis nach Lettland (sowie Frankreich und Belgien) geht. Und das tut er nicht einfach so, sondern für einen ganz besonderen Film.
„Flow“ kommt in seiner rund 90-minütigen Laufzeit ganz ohne Worte aus, zeigt dafür bildprächtige Animationen und eine Katze, die sich auf eine lange Reise ins Ungewisse begibt.
Es handelt sich bei dem Film um keine große Studioproduktion, das Budget betrug nur rund 3,5 Millionen Euro – zum Vergleich: Andere Animationsfilme wie „Elemental“ aus 2023 hatten ein Budget von 200 Millionen US-Dollar, im vergangenen Jahr das oftmals kostengünstig produzierende Studio Illumination mit „Ich einfach unverbesserlich 4“ immer noch 100 Millionen.
Flow Animationsfilm: Darum geht es im Film
Worum geht es? Im Film sehen wir eine nicht benannte Katze, die zuerst vor einigen Hunden wegrennt, später jedoch durch eine Naturkatastrophe zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen wird. Über die genauen Umstände zuvor wird nicht aufgeklärt, die einzigen Stimmen während des Films sind die Laute der einzelnen Tiere, die die Katze auf ihrer Reise begleiten – nicht ganz freiwillig, doch später zunehmend zusammenhaltend.
Auch vor grausamen Szenen macht Flow dabei nicht Halt. Einem Sekretär (Greifvogel) wird nicht nur von seinen Artgenossen der Flügel gebrochen, er stirbt allen Anschein nach auch später im Film noch – beweist sich jedoch von Anfang an als vertrauenswürdig, weil er die Katze verteidigt und dafür sogar bei seinen Artgenossen dazwischen geht, wie erwähnt mit brutalen Folgen.
Im Flow Film geht es um Freundschaft, aber auch Rückschläge – und der Film kommt nicht von irgendwoher
Flow erzählt also eine Geschichte über Freundschaft, teilweise fühlt es sich wie eine kleine Wohngemeinschaft an, wenn die Tiere gemeinsam auf dem kleinen Boot miteinander leben müssen, aber auch Rückschläge.
Ein bisschen erinnert Flow an das Videospiel Stray – als Grundlage galt dieses jedoch sicherlich nicht. Denn mit „Aqua“ kreierte Regisseur Gints Zilbalodis bereits 2012 eine Art Prototyp, Vorläufer und Inspiration für den nun erfolgreichen Film – da war er noch an einer weiterführenden Schule.
Dass Zilbalodis auch nach rund 12 Jahren an seinem damals schon ganz schön ausgeklügelten Film festhielt, soll sich jetzt jedenfalls auszahlen.
Flow lässt viele Fragen offen – zum Beispiel die nach dem Warum
Der Film hat zwar auch einige fragliche Momente, und lässt grundsätzlich viel offen – beispielsweise, was jetzt wirklich passiert ist, was davon echt ist und wieso teilweise mehr und teilweise weniger erhalten ist.
Am Anfang könnte man die Ereignisse in Zusammenhang mit dem Klimawandel setzen, wobei Wasseranstiege von im Film sicherlich 30 oder mehr Metern ziemlich hoch gegriffen sind. Doch diese Vermutungen stellen sich – dazu sei jedoch nicht zu viel verraten – als falsch heraus. Die wahren Gründe bleiben aber vollkommen offen.
Fakt ist auch, dass alle Menschen verschwunden scheinen. Ob sie wie einmal im Film sichtbar in Stein verwandelt worden (wie teilweise erkennbare Fabriken), oder ob es sich um eine Statue handelte, ist vollkommen den Zuschauern überlassen. Die Natur holt sich etwas zurück, könnte man meinen, doch die Tiere werden daraufhin allzu menschlich. Besonders ausgeprägt ist das am Affen sichtbar, der aber ebenfalls eine Charakterentwicklung durchlebt.
Wieso Flow für Europa und insbesondere Lettland ein noch größerer Erfolg ist
Letztendlich ist es ja aber genau das, was einen guten Film ausmacht. Es muss nicht jede Frage beantwortet sein. Es muss auch nicht alles perfekt animiert sein – denn das wäre mit dem geringen Budget überhaupt nicht möglich gewesen, man hat aber das meiste herausgeholt. Und der europäische Film kann und sollte sich darüber freuen.
Für Lettland stellt sich der Animationsfilm inzwischen ebenfalls als großer Erfolg heraus. Nachträglich stellte die Regierung 300.000 Euro Filmförderung zur Verfügung, sowie 150.000 Euro für die Vermarktung – in Deutschland sieht man, zumindest an einigen Bahnhöfen, bereits Werbung für den Kinofilm. Es ist offenbar auch im Interesse des Landes, einen solchen Diamanten die nötige Reichweite zu verschaffen.
Denn Flow ist wohl einer der wenigen, wirklich in dieser Form herausstechenden Animationsfilme aus Europa. Was in den USA im vergangenen Jahr mit „Der wilde Roboter“ zuletzt, jedoch mit Sprache darin, aber auch Tieren, gelang, das ist in Europa keine Selbstverständlichkeit, im Gegenteil.