Bereits im Mai 2022 findet der nächste Eurovision-Song-Contest (ESC) in Turin, Italien, statt. In Deutschland ist man währenddessen noch mit der Entscheidung der Nominierten beschäftigt, denn noch ist unklar, wer am 14. Mai dort auf der Bühne stehen wird. Klar ist jedoch, dass der NDR, der den Vorentscheid für den ESC mit trifft, aktuell schwer in der Kritik steht – denn der Favorit der meisten Deutschen ist nicht mit dabei.
Vor wenigen Monaten verkündete die Band Eskimo Callboy, die besonders im Internet bekannt ist, dass sie es für den ESC 2022 beim Vorentscheid probieren würden, um vielleicht später in Turin auftreten zu können. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Pop-Band, sondern eine Metalcore-/Trancecore-Band nahe der Musikrichung Heavy Metal – bereits aus der Vergangenheit weiß man, dass die deutsche Jury, die die Kandidaten für den Vorentscheid aussucht, damit so ihre Probleme hat.
Mit ihrem Song “Pump it” bewarben sie sich schließlich und das Lied konnte in nur wenigen Wochen über 8 Millionen Aufrufe international generieren allein auf YouTube – das ist ein Rekord für einen deutschen Song, der sich beim Vorentscheid gemeldet hat. Kein Wunder, denn die berühmten Bands und Singer bewerben sich meist nicht, vielleicht auch weil sie Angst haben, dass sie versagen könnten, wie die vielen Teilnehmer vor ihnen aus Deutschland. In den letzten Jahren musste man sich in den meisten Fällen mit dem letzten Platz zufriedengeben.
Eskimo Callboy wird nicht zugelassen, Fans platzt der Kragen
Als dann vorgestern das Ergebnis bekannt gegeben worden ist – also die sechs Kandidaten, die im Vorentscheid auftreten und zwischen denen man dann wählen kann – war Eskimo Callboy nicht dabei. Die anderen Vorschläge waren dabei durchwachsen, einige gute, einige öffentlich als weniger gut bezeichnete.
Doch der Fakt, dass man Eskimo Callboy nicht einmal zugelassen hat, brachte die Nutzer auf Plattformen wie Twitter auf 180. Schnell wurde der Hashtag #Germany12Points mit Memes gegen die Entscheidung gesät, der es später dann auch in die Trends schaffte. Eskimo Callboy war zu diesem Zeitpunkt erst noch ruhig geblieben, veröffentliche wenige Stunden später aber ein Video.
#ECnot4ESC – Eskimo Callboy äußert sich mit ironischem Video
Im Video mit dem Titel “#ECnot4ESC” zeigte Eskimo Callboy dann ironisch auf, warum man sie nicht genommen hatte. Offenbar hatten die Kreativität und die Farbvielfalt der Jury sogar noch gefallen, die Musik jedoch weniger, da diese “nicht im Radio gespielt werden könne”. Am Anfang und später sieht man den Herrn vom Vorentscheid dann, wie er im Radio den Song anmacht und mit seinem Auto wegfährt – offenbar geht es also doch.
Da die sechs Lieder zuvor im Radio gespielt werden, damit man beim Vorentscheid jeden Song schon einmal gehört hat – die Clips im Internet erreichen schließlich nicht jeden – müssen diese Radio-tauglich sein. Das Problem daran scheint zu sein, dass “Pump it” das aus Sicht der Jury nicht ist, wahrscheinlich wegen der Heavy Metal-Elemente.
In Deutschland sähe man Eskimo Callboy jedoch als Bereicherung an, da die Band “Potenzial” habe und vielleicht mal einen besseren Platz als vorherige Kandidaten einfahren könne. Aus diesem Grund ist man erbost über die Verantwortlichen beim NDR, die sich erneut querstellen und, aus Sicht der Kritiker, nicht verstehen wollen, was international gut ankäme. Und dafür muss man den Song nicht einmal selbst mögen, um zu sehen, dass er gut ankommt.
Denn eines stimmt: Die letzten Jahre hat sich bei den Gewinnern vor allem gezeigt, dass ganz unterschiedliche, kreative Auftritte mit ausfallenden Genres die ersten Plätze belegen kann, während “einfacher” Pop eher weniger gut ankommt.
Außer Michael Schulte 2018, der auf dem vierten Platz landete, hat Deutschland seit Lenas Sieg 2010 fast nur noch Songs auf die letzten drei Plätze gebracht. Hierin sähe man die Chance, dass man wieder besser platziert werden würde – wo man schon den ESC zu großen Beträgen als einer der Top 5 mitfinanzieren würde, so die Meinung im Netz.
Petition gestartet, um Eskimo Callboy doch noch in den Vorentscheid zu bringen
Mit einer Petition auf Change.org will man die Sache nun aber doch noch irgendwie wenden und hofft auf Unterstützung der ESC-Jury nach dem Backslash. Mit mittlerweile fast 75.000 Unterschriften stimmen Nutzer dafür, dass die 6-köpfige Band doch noch mitmachen darf und vielleicht sogar nach Turin fährt, wenn sie denn gewinnt – was ja noch gar nicht fest ist.
Natürlich könnte man sich nun noch darüber streiten, inwiefern es gerechtfertigt ist, nicht mal den Versuch zuzulassen, wo man doch von damaligen Fehlern hätte lernen können. Offenbar scheint es aber wirklich “nur” an der Radio-Ausstrahlung gelegen zu haben, selbst wenn viele vermuten, dass die Antipathie gegenüber diesen Genres bei der Jury das eigentliche Problem gewesen wäre.
Das Thema wurde bereits in einer Fragerunde der Jury angeschnitten, dabei kam jedoch lediglich herum, dass die Jungs zwar “super” wären, aber es eben einige Probleme mit dem Auftritt gegeben habe und man sich deshalb dagegen entschieden hätte.
Beachtlich dürfte jedoch allemal sein, wie sehr sich das Netz in diese Entscheidung nun einbringt. Zwar war die Begeisterung schon immer groß, aber so groß war sie bisher noch nicht gewesen.
Das zeigt wieder einmal mehr, wie sich die junge Zielgruppe für den ESC interessiert und dieser eben nicht zu einem nur noch von alten Zuschauern geschauten Event wird, sondern jung und dynamisch bleibt. Gerade diese Euphorie ist das, was ihn seit Jahren lebendig hält und jedes Jahr unzählige Menschen begeistert, aber auch inspiriert. Wenn Deutschland nun ebenfalls einen Schritt in die richtige Richtung machen und sich darauf einlassen würde, könnte man vielleicht wieder Erfolge wie 2010 erreichen.
Schließlich scheinen die Auftritte der letzten Jahre, die zwar durchaus gut waren, aber eben nichts Neues, einfach nicht mehr zu funktionieren. Wie viel Zeit man benötigt, um das auch in der Jury festzustellen, ist nun ja nicht erst seit gestern eine Frage, die viele ESC-Fans beschäftigt.
Information: Für Interessierte findet sich der Link zur Petition hier.
Ein Kommentar
Meine Enttäuschung, dass Eskimo Callboy nicht im Vorentscheid ist ist groß. Ich bin nicht mehr jung – 53 Jahre – hatte jedoch letztes Jahr beim ESC die finnische Band Blind Channel gehyped – liebe sie noch immer – fand auch Manneskin und Go_A sehr gut. Als EC sich für den ESC beworben hat war meine Freude groß! Endlich. seit Michael Schulte, würde ich wieder voll hinter unserem deutschen Act stehen können. So ähnlich wie mir ging es glaube ich vielen. Mir tut nun jeder leid, der tatsächlich nach Turin geschickt wird, da die deutsche Unterstützung fehlen wird und kein Song genug herausstechen wird. Mich ärgert auch, dass keine Diversität geboten wird. Man kann nur Radio-Pop wählen und der langweilt mich in der Regel. So habe ich die Petition unterschrieben und auch andere darüber informiert. Hoffentlich hat der NDR noch ein Einsehen und läßt EC doch noch mit einer Wildcard zu. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie das bieten, was es braucht: You love it or you hate it! Top 10 wäre mindestens drin! Und Europa würde sagen: Endlich traut sich Deutschland mal was!