Wie auch bei „The Alto Knights“ hat man beim Film „Eden“ den Eindruck, dass er eher in der zweiten Reihe der aktuell erscheinenden Kinofilme steht. Dabei zeigt bereits die Starbesetzung aus Hollywood, dass hier mehr dahinter stecken muss. Und Regisseur Ron Howard ist es tatsächlich gelungen, die auf wahren Ereignissen basierende Geschichte fesselnd zu verpacken.
Die Schauspieler Jude Law, Vanessa Kirby, Daniel Brühl, Sydney Sweeney, Ana de Armas und Felix Kammerer verkörpern hier die reale, bis heute nicht aufgeklärte „Galapagos-Affäre“. In den 1930er-Jahren waren mehrere deutsche Aussiedler auf die Insel Floreana im Pazifischen Ozean übersiedelt. Doch die Situation wird mit jedem Monat und Jahr angespannter, denn es tun sich schon früh Konflikte auf. Am Ende werden mehrere der Aussiedler vermisst.
Da die Filmkritik etwas später kommt, läuft „Eden“ womöglich in den meisten Kinos nicht mehr. Die Blu-ray oder DVD ist aber bereits vorbestellbar und erscheint in einigen Wochen*.
Darum geht es in „Eden“
Der Film „Eden“ greift diese Geschichte auf und traut sich an eigene Interpretation der Ereignisse heran, die jedoch als naheliegend eingeschätzt werden dürften. Da ist einerseits der Philosoph und erste Bewohner Friedrich Ritter (Jude Law), der zusammen mit seiner Gefährten Dorothee Strauch (Vanessa Kirby) die Insel als neue Heimat markiert. Später stößt die deutsche Familie Wittmer aus Not hinzu, weil sie für die Krankheit ihres Sohnes auf Milderung und niedrigere Kosten hoffen, hier gespielt von Daniel Brühl, Sydney Sweeney und Sohn Jonathan Tittel. Ritter hofft, die Familie bald wieder loszuwerden, wenn sich das Leben auf der Insel als zu hart herausstellt.
Brisant wird es aber erst mit dem Eintreffen der angeblichen Baronin Eloise Wagner de Bousquet (Ana de Armas). Zusammen mit zwei Liebhabern und einem Angestellten im Schlepptau, will sie auf der Insel ein Wellness-Ressort bauen – für Superreiche. Doch die Baronin ist eitel, selbstverliebt und hat eine Vorliebe für Intrigen. Und diese setzen ab dann richtig ein.
Wenn Menschen nur noch nach sich selbst schauen
Als Margaret Wittmer (Sweeney) auf der Insel ein Kind gebärt, ist ihr Mann und Sohn auf der Jagd. Während sie mit den Wehen ringt und um Hilfe schreit, lässt die Baronin das Haus der Wittmers auf Vorräte ausrauben, weil ihre eigene Dosennahrung verzehrt ist. Als dann noch Hunde Wittmer angreifen, muss sich diese während der laufenden Geburt wehren – der Diener der Baronin kann sein schlechtes Gewissen kaum aushalten, bittet darum zu helfen, aber bekommt stattdessen ein Tabu und schließlich die Kündigung ausgesprochen.
Die Szene ist ungeheuer brutal – verwunderlich ist, wieso es dafür keine FSK 18-Bewertung gab, und zeigt schon früh, wie sehr sich die Beteiligten versuchen, gegenseitig von der Insel zu vertreiben – notfalls unter dem Risiko, dass andere sterben. Die Intrigen der Baronin werden mit der Zeit immer ausgeprägter und offener, gleichzeitig nutzt sie, dass auch die anderen einander nicht viel lassen. Einzig die Wittmers zeichnen sich durch Fleiß und im Vergleich Bodenständigkeit aus, versorgen im Endeffekt aber die anderen Personen mit.
Vom Philosoph zum Anti-Philosoph
Besonders spannend ist aber der Subtext des Films. Ritter, der an der Philosophie über die Natur des Menschen und eine bessere Welt philosophiert, während in Deutschland Hitler an die Macht kommt, wird mit der Zeit zunehmend selbst zu dem, was er vorher verachtete. Sein Ideal scheint bei mehr als zwei Bewohnern sichtlich zu wanken, er hält sich an seine eigenen Regeln immer weniger.
Zuerst äußert er sich noch verächtlich über Nietzsche, um dann selbst dessen Vorstellungen zu verfallen und selbst identisch zu formulieren. Zunehmend wendet er sich dann jedoch völlig dem Philosophieren ab, um zu jagen oder sich gegen die Intrigen der Baronin zur Wehr zu setzen.
Auf einmal scheint die Zivilisation die erstrebenswertere Lebensgrundlage
Als einzig vernünftiger und den Intrigen und Avancen der Baronin gegenüber immun tritt indes ausgerechnet der Geschäftsmann George Allan Hancock auf – jemand aus der Zivilisation. Hancock, der nur kurz auf der Insel ist und dort lediglich mit Lebensmitteln, Luxusgütern und Zuspruch auffährt, bevor er sich wieder zurück in die USA begibt. Der Baronin gegenüber gesteht er, seine Begeisterung lediglich vorgespielt zu haben. Er scheint instinktiv zu begreifen, dass die Insel „verflucht“ ist – durch die Menschen.
Das ist interessant, weil die drei aus unterschiedlichen Motiven ausgesiedelten Gruppen sich vor allem aus der Zivilisation herausbegeben wollten. Ritter zu einem höheren Zweck, die Wittmers, um zu heilen und weil sie es sich sonst nicht mehr leisten konnten und die Baronin, um dort eine neue Welt aufzubauen, weil sie in der alten durch ihren exzessiven Lebensstil bankrott gegangen war.
Wenn das Paradies eigentlich die Hölle ist
„Eden“ ist wahrlich kein Paradies, sondern eher die Hölle auf Erden. Auf einer Insel, die jedoch keine optimalen Bedingungen zum Besiedeln erfüllt, scheint kein Platz für mehr als zwei Ideen zu sein. Alle wollen sich gegenseitig ausstechen, partizipieren früher oder später an den Intrigen und würden sich lieber gegenseitig tot als lebendig sehen. Nur unter Deals untereinander und schwerem Nachdruck ist überhaupt so etwas wie gegenseitige Hilfe zu erwarten.
Am Ende bleibt man abhängig von der Zivilisation, die alle paar Monate ein Schiff vorbeikommen lässt. Einzig die Wittmers schaffen es sogar ein richtiges Haus zu erbauen – daran scheitert sowohl Ritter, als auch noch drastischer die Baronin, die über Zelte nie hinaus kommt und ihren Traum vom großen Hotel wohl selbst zerplatzen sieht.