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Der neue Phantomias wird 25! Ein Grund zu feiern, nicht? In Italien erscheinen zu diesem Anlass natürlich wieder jede Menge Artikel und Features (auch ohne Anlass gibt es die immer wieder!). Auf Deutsch finden sich nach wie vor recht wenige Abhandlungen über die Serie (zumindest eine kann ich empfehlen, siehe hier), was ich hiermit ein wenig reparieren will. (Zur Rezension des aktuellsten Bandes geht es hier.)
Man kann nicht über Phantomias reden, ohne auf dessen Anfänge einzugehen. Nachdem Donald Duck im “Topolino” (das italienische wöchentliche Micky-Maus-Heft) von seinen Verwandten oft sehr übel mitgespielt wurde, gab es immer wieder Wünsche der italienischen Leser, Donald solle doch auch mal gewinnen dürfen. Laut offiziellen Angaben hatte die damalige Chefredakteurin Elisa Penna die Idee, Donald eine Geheimidentität zu verpassen – inspiriert von Reihen wie “Fantomas” oder “Diabolik” wurde 1969 aus “Paperino” (Donald Duck) “Paperinik” (Phantomias). Massimo De Vita, der schnell zum Standardzeichner des Charakters wurde, zieht diese Behauptung aber in Zweifel und vermutet, dass die Idee in erster Linie von Autor Guido Martina stammte. Aus der ursprünglichen Rächerfigur (deutsches Debüt in LTB 41, 1976) wurde im Laufe der Jahre eher ein Held á la Batman, der sich mit allerlei kriminellen Elementen herumschlagen musste.
Diese Geschichten kennt man aus dem LTB, fast alle wurden in der Reihe LTB Ultimate Phantomias * mehr oder weniger chronologisch nachgedruckt. In Italien gab es so etwas schon viel früher: 1993 erschien die erste Ausgabe von “Paperinik e altri supereroi”. Ab 1995 erschienen neue Comics in der Reihe (sowie alte Geschichten mit Supergoof oder Flederduck), dafür war Phantomias erst mal aus dem “Topolino” verschwunden. Schon zuvor hatten die Covers der Reihe (oft von Marco Ghiglione gezeichnet) einen ziemlich modernen, teils futuristischen Anstrich, der aber nichts über den Inhalt der Comics aussagte, die weiterhin dem klassischen Rezept folgten. Paperinik e altri supereroi 29 beinhaltet etwa eine ziemlich lächerliche Geschichte rund um Phantomias, der zurück in die Schule muss. Aber auch gute Geschichten wie “Phantomias und die Zauberer” (LTB 231) erschienen in dieser Ära.
Phantomias war erfolgreich, keine Frage. Aber einer der Künstler, die mit der Situation unzufrieden waren, war Max Monteduro, für die damals bahnbrechende digitale Kolorierung der Phantomiascovers verantwortlich. Zusammen mit Redakteur Ezio Sisto und dem jungen Autor Alessandro Sisti gab es erste Pläne für ein Restyling des Helden: Die faszinierend technisierte Welt der Phantomias-Covers sollte nun auch ihren Weg in die Comics finden.
Zu den kontaktierten Künstlern gehörten Alberto Lavoradori – wegen seiner Arbeit an der von Rudy Salvagnini geschriebenen Weltraum-Trilogie (“Chaos im Kosmos”, “Ein eigenartiger Planet” und – Achtung! – “Chaos im Kosmos”!) – und Claudio Sciarrone. Lavoradori war der Meinung, dass die bis dahin vorgelegten Konzepte zu althergebracht waren; es bräuchte wirklich etwas Neues, um sich vom Bekannten abzusetzen.
Er schwärmte damals bereits für surrealistische Künstler mit einer verstörenden Ader wie HR Giger, Alfred Kubin, Richard Oelze, Yves Tanguy oder Max Ernst und produzierte eine Menge Studien diverser Figuren, die sich in ihrer Radikalität deutlich vom Disney-Standard unterschieden. Bestes Beispiel sind die Evronianer: Das Design stammt komplett von ihm, aber er wusste nicht, wofür die Außerirdischen gut sein könnten. Im Laufe der Zeit nahm die Welt des “neuen Phantomias” immer mehr Gestalt an. Von Lavoradori kamen weitere Charaktere (Everett Ducklair, Klarissa, Kamera 9, Xadhoom), Claudio Sciarrone wiederum entwarf das Aussehen des Plünderers und sollte später Klarissa deutlich verfeinern.
Das Ziel der Autoren war es, eine deutlich erwachsenere Welt zu entwerfen, in der es nicht nur Gut und Böse gab, sondern eben auch Zwischenstufen. Zu diesen vielschichtigen Figuren gehören als neuer Verbündeter die künstliche Intelligenz Eins, sowie als Gegenspieler Starreporter Konrad Kiwi. Kiwis Originalname “Angus Fangus” war ein Vorschlag von Ezio Sisto, nachdem Alessandro Sistis Vorschlag “Owen McMurduck” als zu klobig empfunden wurde. Ezio Sisto hatte auch “entdeckt”, was die Außerirdischen waren – grausame Eroberer, die sich von den Emotionen anderer Wesen ernähren und ganze Welten verwüsten. Als Sisto Alessandro Sisti fragte, ob es sich um Evronianer von Evron oder eher Evonianer von Evon handeln würde, entschied sich Sisti für Ersteres – Letzteres klang für Sisti zu sehr nach “kosmischen Kosmetikvertretern”.
All das war durchaus nicht ohne Risiko. Einerseits hatte es in Italien bis dahin keine Disney-Albumreihe gegeben, und der von dem Projekt überzeugte, generell sehr aufgeschlossene Chefredakteur Paolo Cavaglione investierte einige Ressourcen (Hochglanzpapier, bessere Druckfarben) in die Reihe. Andererseits gab es schon damals die Disney-“Lizenzkontrolleure”, die sich damals noch in Paris befanden (heute in Italien) und allem ihr OK geben mussten, bevor es in Druck gehen durfte. Tito Faraci beschrieb diesen Vorgang später als Bürokratie, bei der u.a. die Schnabellänge gemessen und mit den Vorgaben verglichen wurde! Tatsächlich wurde offenbar bei allen drei Pilotausgaben der Reihe viel retuschiert und neu gezeichnet (besonders die Schnäbel), um dem “Standard” zu entsprechen. Stefano Intini war darüber so erbost, dass er nicht namentlich genannt werden wollte und stattdessen als “Paul Ackerman” gelistet wurde, Lavoradori nahm es gelassener hin (allerdings wurde die retuschierte Version der Pilot-Episode letztlich nur in wenigen Ländern publiziert, z.B. in Kuwait!). Zudem war es durchaus riskant, einen deutlich brachialeren Kurs zu fahren als in Disney-Comics üblich ist; die Evronianer sind eine größere Bedrohung als praktisch alle sonstigen Disney-Antagonisten und ihre feurige Erzfeindin Xadhoom hält wenig von guten Manieren. Zu viele Tabus auf einmal zu brechen, hätte sowohl für Ablehnung vonseiten Disneys als auch für einen Misserfolg am Kiosk sorgen können.
Dennoch waren die ersten drei Ausgaben (Nummerierung 0, 0/2 und 0/3) ein großer Erfolg, und die Fan-Community (“PKers”) bildete sich praktisch über Nacht (und wurde durch Rubriken, in denen es z.B. ironische Antworten auf Leserbriefe gab oder Zusatzinformationen zur Serie, bei der Stange gehalten).
Alessandro Sisti bekam das Angebot, die komplette Reihe zu schreiben, aber er lehnte ab: Damals war er der Meinung, dass er das Geschick einer so innovativen und außergewöhnlichen Reihe nicht alleine übernehmen sollte. Unterschiedliche Autoren sollten unterschiedliche Facetten einbringen (wie man ja schon beim Gründungsprojekt sehen konnte), und so kamen folgende Episoden neben Sisti auch von Francesco Artibani (acht Jahre jünger als Sisti und damals gerade erst seit drei Jahren für Disney tätig), Gianfranco Cordara, Tito Faraci, Bruno Enna, Davide Catenacci, Augusto Macchetto und Stefano Ambrosio. Gemeinsam bildeten diese (sowie ihre jeweiligen Redakteure) das sogenannte “PkTeam”, welches den groben Makro-Plot der Reihe gemeinsam ausarbeitete, wobei die einzelnen Autoren bei ihren jeweiligen Geschichten trotzdem viel Freiheit genossen. Dass sich dabei Ungereimtheiten einschlichen, war kein Drama, denn insgesamt überzeugt die Reihe mit spannenden und mitreißenden Geschichten, die zudem viele verschiedene Genres bedienen und durch die verschiedenen Handlungsstränge fast immer abwechslungsreich bleiben. Ob gegen Zeitreisende, Androiden, künstliche Intelligenzen, Außerirdische oder kriminelle Genies wie Morgan Fairfax: Phantomias wird es so schnell nicht langweilig.
Zu den Geschichten der Hauptserie kamen achtseitige, visuell außergewöhnliche Kurzgeschichten (meist in Form von Serien, welche verschiedene Nebenfiguren wie Konrad Kiwi, Burton La Valle oder Klarissa genauer beleuchten) sowie eine Reihe von Special-Issues (jeden Sommer eines: “Wo ist Phantomias” 1997, “Wie Phantomias zum neuen Phantomias wurde” 1998, “Das Ende einer Welt” 1999, “Helden-Leitfaden” 2000).
Beendet wurde die Serie durch die “Doppelausgabe” 49/50 – “Was wäre, wenn”, jedoch stand die Nachfolgeserie Pk² schon in den Startlöchern (bei uns ab LTB Premium 27). Dazu hatte man die Fangemeinde befragt, in welche Richtung sich das Ganze weiterentwickeln sollte; das Ergebnis kam allerdings bei der breiten Masse nicht mehr so gut an, obwohl die Serie heutzutage als äußerst gelungen gilt. Einige bekannte Figuren ändern deutlich ihr Verhalten, andere verschwinden (Eins wird abgeschaltet!) bzw. werden durch neue ersetzt. Die Erzählweise ist dichter, etwas geerdeter, aber auch verwirrender. Auch dazu gab es noch ein Special, “Duckmall” 2001 – ein geplantes zweites namens “Fahrenheit” wurde nie fertiggestellt. Kurzgeschichten erschienen in dieser Ära dagegen keine.
Die Entwicklung eines Videospiels eröffnete ganz neue Möglichkeiten – nun gab es die Chance, den neuen Phantomias weltweit bekannt zu machen. Allein, es funktionierte nicht… Da in den USA Phantomias nie eingeführt worden war (sein Debüt erschien erst 2015 bei IDW Publishing), fehlte die gesamte Vorgeschichte. Was lag da näher, als die bisherige Kontinuität zu beenden und eine neue anzufangen, in der Donald noch kein Superheld ist und es erst in der ersten Ausgabe wird? Damit war der Boden bereitet für das Reboot “PK – Pikappa”, im Inducks unter PK3 zu finden und bei den italienischen Fans bald in “Frittole” umgetauft. Zu Beginn wird Donald zum “Guardian of the Galaxy”, der die Erde gegen die Evronianer verteidigen soll, und nennt sich spontan PK bzw. ausgesprochen “Pikappa” – der Name Paperinik spielt hier keine Rolle mehr, ebenso wie die Villa Rosa.
Das Kalkül war zwar nachvollziehbar, aber für die Fans war es ein herber Schlag. Aus der prinzipiell nicht automatisch schlechten Grundidee wurde viel zu wenig gemacht. Die niedrigere Seitenzahl (48 Seiten + 12-seitige Kurzgeschichte) war auf den US-Markt ausgelegt, aber am Ende erschien die Reihe dort gar nicht. Die neue Topolino-Chefredakteurin Claretta Muci wies zudem an, dass die neuen Geschichten für eine jüngere Zielgruppe geeignet sein sollten, was mit dem ernsten Anstrich der Welt nicht gut zusammenpasste. Schließlich hatte die neue Reihe auch darunter zu leiden, dass die bisherigen Hauptautoren des neuen Phantomias kaum oder gar nicht involviert waren: Francesco Artibani fremdelte zu der Zeit sowieso mit der Chefredaktion (nach 2004 schrieb er jahrelang keine Disneycomics mehr) und war gar nicht am Reboot beteiligt, das er sowieso als Konzept nicht mochte. Alessandro Sisti und Augusto Macchetto schrieben je eine Geschichte, Tito Faraci und Bruno Enna jeweils zwei.
Dominiert wurde die Reihe dagegen von Gianfranco Cordara (der zwar von Anfang an zum PkTeam gehörte, aber für meinen Geschmack durchweg die am wenigsten durchdachten Geschichten ablieferte, und auch immer wieder mit wenig überzeugender Charakterisierung auffiel) und Stefano Ambrosio (der spätestens durch Reihen wie “Q-Galaxy” zur regelrechten Hassfigur für einige italienische Fans wurde). Dass beide bei “Micky X” zeitgleich teilweise deutlich ansprechendere Arbeit machten, sei aber auch erwähnt – auch wenn diese Serie für Fans der Vorgängerserie “Micky Mystery” sicher ein ähnlicher Rückschritt war wie “PK-Pikappa” nach “Pk²”.
Immerhin gab es bei den Zeichnungen nach wie vor viel zu bestaunen, mit Lorenzo Pastrovicchio, Claudio Sciarrone, Marco Palazzi, Stefano Intini, Paolo Mottura, Andrea Freccero, Corrado Mastantuono, Stefano Turconi oder Fabio Celoni waren viele wichtige PKNA-Künstler vertreten.
Die Kritik zielte auf viele Dinge, wie die viel schwächer ausgeprägte Kontinuität (nur selten stehen die Kapitel miteinander in Verbindung), die teilweise unglückliche Durcheinanderwürfelung von PKNA- und Pk²-Elementen, der Verzicht auf so wichtige Figuren wie Xadhoom, die Ausdünnung der einst so ausgeprägten Vielschichtigkeit, aber auch einige unpassende bzw. schlecht gemachte düster-verstörende Themen. Dennoch überlebte die Serie länger als Pk² und brachte es auf immerhin 32 Ausgaben. Danach sollte es eigentlich eine weitere Reihe geben, aber wohl aufgrund des schwächelnden Printmarkts und der immer negativer werdenden Reaktion von Fans kam es nicht dazu. Stattdessen war die Geschichte des Superhelden-Phantomias mit dem misslungenen Finale “The End?” 2005 für viele Jahre beendet, von sporadischen Nachdrucken (der erste, “Pk Reloaded”, wurde nicht mal ordentlich zu Ende gebracht) mal abgesehen.
Die Fans waren darüber “not amused”; immerhin waren viele Handlungsstränge von Pk² nicht ordentlich zu Ende geführt worden, zudem gab es nun eklatante Widersprüche zwischen den ersten beiden Serien. Hoffnung kam ab 2007 auf, als die für die damalige “Verkindlichung” der italienischen Disney-Produktion hauptverantwortliche Claretta Muci durch die neue Chefredakteurin Valentina de Poli abgelöst wurde, welche selbst Fan des neuen Phantomias war und u.a. auch Casty mehr Platz für seine längeren Geschichten einräumte. Mit DoppelDuck gab es auch eine neue anspruchsvolle Serie, deren Farben von Max Monteduro designt wurden. Irgendwann verdichteten sich dann die Hinweise, dass es tatsächlich ein Comeback geben würde. Hilfreich war dabei natürlich, dass Francesco Artibani 2011 zu Disney zurückkehrte und voller Ideen steckte – darunter Epen wie “Alle gegen einen” und die beiden DoppelDuck-Knaller “Auftritt Agent Zero” sowie “Der olympische Code”. Letzteres war eine unverhohlene Fortsetzung des PKNA-Handlungsstrangs rund um den Schurkenstaat Belgravia (siehe hier v.a. “Tyrannic” und “Operation Hephaistos”) und feuerte die Gerüchte weiter an.
2014 schließlich kam es einem Paukenschlag gleich: Francesco Artibani, Lorenzo Pastrovicchio und Max Monteduro legten mit “Potere e potenza” einen 160-seitigen Brocken vor, der über vier Topolino-Ausgaben verteilt erschien und später als gesammelte Sammlerausgabe nachgedruckt wurde (gleichzeitig wurde im Rahmen von “PkGiant – 3K Edition” die alte Reihe nachgedruckt). Der neue Phantomias feierte damit eine triumphale Rückkehr. Die Geschichte kam so gut an, dass nun tatsächlich eine neue Serie daraus wurde – wobei das eigentlich bewährte Duo Sisti/Sciarrone mit “Gli argini del tempo” nicht ganz so begeistern konnte. Offenbar hatte Sisti die Geschichte schon länger in der Schublade und nicht sonderlich stark auf Kontinuität zum ersten Teil der neuen Serie geachtet. Die Kritik daran führte aber zu einer besseren Koordination der beiden Autoren. Besonders Artibani war es ein Anliegen, den kollaborativen Spirit der 90er wiederzubeleben, und so baute er ein neues PkTeam auf, das aus ihm, Pastrovicchio, Monteduro, Sisti, Sciarrone sowie Redakteur Davide Catenacci und Chefredakteurin Valentina De Poli bestand und in Zukunft auch für jüngere Künstler offen sein sollte.
In der Folge erschienen pro Jahr zwei lange Geschichten, wobei es 2016 nur ein reguläres Kapitel gab, dafür aber das lang erwartete DoppelDuck-Crossover “Vereinte Kräfte” (LTB 493) sowie die PhantoTube-Kurzgeschichtenserie (LTB Premium 25). 2017 war dann allerdings wirklich Sand im Getriebe, denn Sisti/Sciarrone waren so mit ihrer Arbeit an den neuen Kapiteln von “Glanz und Gloria derer von Duck” beschäftigt, dass sie keine Zeit mehr für ein neues Phantomias-Abenteuer hatten. So folgte erst 2018 direkt die nächste Artibani/Pastrovicchio-Episode “L’orizzonte degli eventi”, und langsam waren die Leser wohl gelangweilt von der Serie. Artibani, der unbedingt seinen Plan einer Beendigung von Pk² zu Ende bringen wollte (und dafür ebenfalls auf einige alte Ideen aus den frühen 2000ern zurückgriff), musste sich zudem mit dem Vorwurf mancher Fans auseinandersetzen, die Figuren uninspiriert einzusetzen. Die Fans waren aber auch von den langen Wartezeiten frustriert.
Auch das schließlich 2018 erschienene PKNE-Abenteuer von Sisti/Sciarrone “Droidi” sorgte zunächst für lange Gesichter; einerseits, weil es nicht “Cronaca di un ritorno” von 2016 mit seinen vielen neuen Handlungssträngen fortsetzte, andererseits, weil die Aufteilung in drei Episoden nicht so gut gelungen war. Später erklärte Sisti, dass der Comic im alten PKNA/Pk²-Format von 62 Seiten entworfen wurde und von Sciarrone dann an einigen Stellen gestreckt wurde, sodass er am Ende 89 Seiten umfasste…
Der Ruf nach einer Auslagerung der Serie in ein eigenes Format war zuvor schon laut gewesen. Dann kam es zum plötzlichen Wechsel an der Spitze; Alex Bertani löste Valentina De Poli ab; gleichzeitig wurde bekannt, dass neue Geschichten nun in einer eigenen Hardcover-Reihe namens “Topolino Fuoriserie” erscheinen sollten (im Wechsel mit der ebenfalls ausgelagerten “Kampf der Zauberer”-Reihe). Das Konzept wurde begrüßt, u.a. weil man nun keine Zugeständnisse mehr an das Erzähl- und Seitenformat des wöchentlich erscheinenen Topolino machen musste.
Skeptisch waren viele Fans aber, als bekannt wurde, wer die erste Geschichte dieser neuen Serie verantworten sollte: Autor ist nun Roberto Gagnor (Highlight: “Der unbezwingbare Berg”), dessen Qualitäten durchaus bekannt sein sollten und den ich auch im Bertel-Express-Interview explizit gefragt habe, ob er mal den neuen Phantomias schreiben will. Wenn ich mir “Dramator – Dichter der Dimensionen” zuvor noch mal durchgelesen hätte, oder darauf geachtet hätte, wie wenig mich sein DoppelDuck-Abenteuer “Pole Position” verglichen mit Artibanis Meisterwerken überzeugt hatte, hätte ich die Frage womöglich nicht gestellt. Zudem wäre ich im Traum nicht darauf gekommen, dass die Serie plötzlich alleine in den Händen eines einzelnen (noch dazu neuen) Autoren liegen sollte; angesichts dessen, dass Alessandro Sisti eine Menge offener Fragen aufgeworfen hat, die Gagnor gar nicht beantworten wollte, ist die Verwirrung vieler Fans nachvollziehbar. Dass die Hardcover-Alben gerade mal 44 Seiten umfassen (damit fast 1/3 weniger als zu Zeiten von PKNA und Pk² üblich) und die Geschichten dadurch unbalanciert actionreich wirken, kann man noch der Redaktion anlasten; allerdings lud Gagnor auch durch viele Elemente seiner Handlung den Zorn der Fans auf sich, die ihm vorwarfen, die Charaktere falsch einzusetzen, die bis dahin üblichen physikalischen Gesetzmäßigkeiten der PKNA-Welt unnötig über Bord zu werfen und den neuen Figuren zu wenig eigenes Profil verpasst zu haben.
Auch optisch sorgte “Un nuovo eroe”, die erste Geschichte der Hardcover-Reihe, für Diskussionen: Durchaus gewagt war die Wahl des mittlerweile noch abgedrehter zeichnenden Alberto Lavoradori, dessen Arbeit bei “PhantoTube” besser, aber vor allem besser koloriert war. Dass Max Monteduro, bis dahin Kolorist jeder Geschichte des neuen Phantomias (mit Ausnahme von “Droidi”, für welches Zeichner Sciarrone selbst verantwortlich zeichnete), nun nur noch die Covers veredeln durfte, wurde fast einhellig kritisiert. Zudem stellt sich die Sinnfrage: Viele von Gagnors Kunstgeschichten-Episoden waren aufwändiger eingefärbt und dabei nur im Topolino erschienen, während Panini nun 10€ für einen 44-seitigen Comic verlangt, der schlechter aussieht als Produktionen aus den 1990ern.
Die lautstark geäußerte Kritik an den Zeichnungen sorgte dafür, dass man von der Idee eines konstanten Künstlerduos schnell wieder wegkam und stattdessen einen echten Pk-Neuling mit der Umsetzung der Fortsetzung beauftragte, die dadurch deutlich später erschien als anvisiert und auch noch ihren Namen ändern musste – aus “War Dome” wurde “Danger Dome”. Man ahnt es: Hier hat wieder die Disney-Approval-Bürokratie zugeschlagen…
Roberto Vians Bilder sind zwar deutlich lesbarer und durch den Einsatz der für diesen Zeichner typischen Schraffuren auch weniger abhängig von der Farbgebung, aber es wirkt sich negativ aus, dass der Zeichner sich nie zuvor mit der Welt des neuen Phantomias befasst hatte, und so z.B. das typische Design der evronianischen Technologie im Wortsinn unter die Räder kommt. Größere Kritik gab es für den Inhalt: “Danger Dome” wurde im Papersera-Forum von einer durchaus repräsentativen Zahl an Usern vernichtend bewertet, was es bis dahin praktisch noch nie gab. Kritisiert wird allerdings auch die lange Pause zwischen den bisherigen Kapiteln.
Die mit einem Cover von Fabio Celoni versehene (und anscheinend von Alessandro Sisti “betreute”) dritte Episode “Ur-Evron” kam bei den Fans dann deutlich besser an. Zum Jubiläum gab es nun auch wieder eine kurze Geschichte im “Topolino” (zeitlich vor der Fuoriserie-Reihe angesiedelt), geschrieben von Sisti und gezeichnet von Lorenzo Pastrovicchio. Und auf Vorschaubildern der vierten Fuoriserie-Episode ist dasselbe Duo abgedruckt, von Gagnor keine Rede mehr… man darf also gespannt bleiben, wie die Geschichte der erfolgreichsten italienischen Disney-Spin-Off-Serie weitergeht.
So oder so ist der “neue Phantomias” ein Meilenstein für die italienische Disney-Produktion. Viele folgende Entwicklungen wären ohne dieses gewagte Experiment nie möglich gewesen: Micky Mystery, Micky X und auch eine Reihe von Donni-Duck-Geschichten sind direkte Resultate des Erfolgs von PKNA. Für die weibliche Leserschaft wurde dann W.i.t.c.h. aus der Taufe gehoben, was wiederum ein großer internationaler Erfolg war (aber auch zu Spannungen führen sollte, die dann letztlich auch mit ein Grund dafür waren, warum von PK lange Jahre nichts mehr zu hören war). Und auch DoppelDuck baut in Teilen auf dem Konzept von PKNA auf, wie oben erwähnt.
Wie im zu Beginn verlinkten Artikel dargestellt, war die Veröffentlichungspolitik im deutschen Raum lange nicht so gelungen. Erst ab 2012 kam durch das LTB Premium Ordnung in das Universum und die erste Serie liegt mittlerweile endlich komplett auf deutsch vor (siehe dazu auch den deutschen PK-Index). Hier * geht es zu allen noch erhältlichen Premium-Ausgaben mit dem neuen Phantomias (Affiliate-Link, falls ihr uns unterstützen möchtet). (Die Bände 2, 7 und 11 scheinen ausverkauft zu sein, da muss man dann wohl entweder auf eine Neuauflage warten oder sich nach gebrauchten Ausgaben umsehen. Band 7 ist allerdings noch in der Box * mit den ebenfalls empfehlenswerten Bänden 8 und 9 erhältlich.)
PS: Falls euch dieser Artikel gefallen hat, kommt womöglich bald noch einer zum Thema… einfach kommentieren!
2 Kommentare
Sehr schöner Artikel zu einer Comicserie, die mich seit dem ersten Erscheinen in Deutschland fasziniert hat.
Ich erinnere mich noch daran, eine Anzeige in der Micky Maus gesehen zu haben; die Idee, dass es Phantomias mit “ernsthaften” Gegnern zu tun bekommt, hat mir sofort zugesagt. (Donald ist mein Lieblingscharakter, und entsprechend toll finde ich sein Helden-Alter-Ego – ob nun klassisch oder in PKNA.)
Gelesen habe ich PKNA dann in der Stadtbibliothek: Diese hatte die Hefte aus der zweiten Ehapa-Veröffentlichung ab 1999 in den Bestand aufgenommen.
Generell empfinde ich PKNA als starkes Konzept mit großem Potential für tolle Geschichten – kein Wunder, dass die Serie jetzt in Italien als PKNE fortgesetzt wird.
Die Veröffentlichung der Reihe im LTB Premium ist für mich ein Glücksgriff. Einige italienische Ausgaben haben mir meine Eltern um die Jahrhundertwende darüber hinaus besorgt (meine Mutter kommt aus Rom).
Darunter war auch ein Heft von “PK – Pikappa.” Ich habe gelesen, dass diese Reihe vom Konzept her dem “Ultimate”-Universum von Marvel ähnelt; ausgehend von dem einen Heft m.E. eine passende Beschreibung (schlecht fand ich die Geschichte nicht, aber ja, doch etwas vereinfachend im Gegensatz zu PKNA).
“Pk Reloaded” scheint übrigens der Untertitel bei den PKNA-Heft-Nachdrucken gewesen zu sein.
Zum Abschluss eine Frage an Dich, Spectaculus: Weißt Du, warum “Pikappa” als “Frittole” bezeichnet wurde?
Und natürlich: Ja, der Artikel hat mir (wie erwähnt) super gefallen. Ueber noch mehr Informationen würde ich mich sehr freuen. 🙂
Danke für den Kommentar! Das ermutigt doch auch dazu, mal meine Rezension von Premium 29 fertigzustellen. Ein weiterer Artikel zur Serie ist im Kopf schon angelegt, muss nur noch getippt werden 😅
Ja, das mit Pk Reloaded ist mir dann später auch aufgefallen. Trotzdem meine ich, dass eine vierte Serie mir Rückkehr zu den klassischen Elementen angedacht war, die dann aber nicht kam (bzw. wenn man so will, mit viel Verspätung dann in Form von PKNE).
Frittole heißt Omelette, glaube ich? Warum dieser Name sich durchgesetzt hat, weiß ich nicht, aber auch bei Danger Dome habe ich das wieder gesehen, “un totale frittolata” oder so – mein Übersetzungsprogramm macht daraus “ein völliger Schwachsinn”, ist also wohl eindeutig abwertend gemeint.