Ganze 90 Jahre ist es nun her, dass einer der bekanntesten fiktionalen Charaktere und neben Micky Maus vermutlich DAS Aushängeschild von Walt Disney zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zu sehen war. Die Rede ist natürlich von Donald Duck, debütiert 1934 im Kurzfilm “Die kluge kleine Henne” (“The Wise Little Hen”) und kurz darauf auch im Comicstrip zu sehen. Daher feiern wir am 9. Juni 2024 90 Jahre Donald Duck.
Damals war der Enterich noch nicht wirklich der, als den wir in heute kennen, auch wenn das Erscheinungsbild vertraut wirkt – der Matrosenanzug definiert Donald Duck bis heute. Von Anfang dabei war im Film Sprecher Clarence Nash, dessen wildes Gequake geholfen hat, Donald schnell zu einer Trickfilmikone zu machen.
Die ersten Auftritte im Comic gab es unter Ted Osborne und Al Taliaferro. Kurz darauf tauchte er im Micky-Maus-Strip von Floyd Gottfredson auf, noch nicht mit der typischen heutigen Körperform (und in den ersten Sonntagsseiten komplett gelb!). Hier ist Donald genau wie im Film “Einsame Geister” ein Großmaul bzw. -schnabel, der aber schnell das Handtuch wirft, eine Charakterisierung, die übrigens auch von Francesco Artibani für “Gute Geister” (einer der Comics zum 100. Disney-Firmenjubiläum) übernommen wurde.
Taliaferro wiederum etablierte Donald als wiederkehrenden Charakter in den “Silly Symphonies” und schließlich mit seinem eigenen Zeitungsstrip. Genau wie in den Filmen nahm Donald auch hier langsam seine bekanntere Darstellung an, und bekam wichtige Nebenfiguren wie Tick, Trick und Track, Daisy, Franz Gans, Oma Duck sowie Bolivar an die Seite gestellt. Vom Sidekick Mickys war er damit zum Zentrum seines eigenen Universums geworden.
Carl Barks schließlich, bereits zuvor an den Trickfilmen beteiligt, war es, der Donald zu dem machte, wie man ihn am besten kennt: selbstsicher, zäh, jähzornig und vor allem menschlich. Die meisten bekannten Nebenfiguren sind genau wie die Stadt Entenhausen selbst aus seiner Feder geflossen.
Barks definierte Donald auch als Jedermann, mit dem man sich gerade aufgrund seiner Vielseitigkeit gut identifizieren konnte. Wirkliche Nischen-Interessen hat er keine, und wenn, dann meist nur über die Dauer einer Geschichte. Stichwort: “Meister seines Fachs”. (Allerdings gilt es als mehr oder weniger gesicherter Fakt, dass er gut kochen kann, und viele Künstler haben ihn auch als kompetenten Piloten gezeigt – wirklich im Mittelpunkt steht beides aber nur selten.) Viele seiner Probleme sind sehr universell, seien es nun Geldnöte, Probleme mit Maulwürfen im Garten oder Liebeswirren.
Ein wenig geändert hat sich dieser Status allerdings mit der Einführung von Donalds Onkel Dagobert. Immerhin ist Donald dadurch der Neffe des reichsten Mannes der Welt, was gewisse Erwartungen und Verpflichtungen mit sich bringt, sowie auch die ein oder andere Annehmlichkeit (selten).
Obwohl Dagobert lange Zeit eine reine Comicfigur war und auf der Leinwand erst mit DuckTales 1987 (eine Serie, in der Donald weitgehend durch andere Figuren wie Bruchpilot Quack und Fenton Crackshell ersetzt wurde) richtig durchstarten konnte, machte er bald Donald auch in puncto Popularität Konkurrenz. Mit dem Geldspeicher und der Nummer Eins hat Barks ganz wichtige Motive erschaffen. Vielleicht auch daher nicht so überraschend, dass auf dem Cover des ersten Lustigen Taschenbuchs Donald und Dagobert Arm in Arm zu sehen sind.
Don Rosa hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Dagobert bevorzugt, und das merkt man seinen Comics leider auch manchmal an. Da mutiert Donald dann zu einer Witzfigur, einem völlig desinteressierten und dummen Nebencharakter. Aber zum Glück gibt es auch bei Rosa gute Donald-Momente – seien es die beiden Geschichten mit den drei Caballeros oder das Ende von “Die Botschaft der Säulen” (auch wenn es sich deutlich an das Ende von “Der arme reiche Mann” anlehnt). Besonders hervorzuheben ist die erstaunlich düstere Vision eines Entenhausens, in dem Donald Duck nie existiert hat – “Kein Tag wie jeder andere” alias “Der Duck, den es nie gab“.
Generell muss man sagen, dass Donald Duck wohl die wichtigste Disney-Figur ist; Micky Maus ist das Maskottchen, aber Donald ist beliebter. Vermutlich ist Micky ein bisschen zu “perfekt”, wo Donald als Tollpatsch mehr Sympathien einstreicht. Neben seinem hartherzigen Onkel hat er mit betonköpfigen Nachbarn, seiner wankelmütigen Verlobten Daisy und dem vom Glück verwöhnten Schnösel von Vetter Gustav Gans auch noch anderweitig viel zu kämpfen – auch damit können sich viele identifizieren. Es hat aber auch zu einer Entwicklung geführt, die wohl kaum absehbar gewesen war: Donald Duck wird zum Helden und rettet die Welt.
35 Jahre nach Donalds erstem Auftritt bekam der Enterich in Italien nämlich eine neue Facette verpasst, denn er verwandelte sich nun in den maskierten Rächer Phantomias. Und die Geheimidentität ist fast so facettenreich wie Donald an sich: Zwischen dem eigennützigen Verhalten der Frühzeit und der späteren Heldenrolle gibt es große Unterschiede. Dann kam 1996 auch noch der “neue Phantomias” als Weiterentwicklung des klassischen, und 2002 der Neustart der Serie unter veränderten Voraussetzungen (seit LTB Premium 33 auch auf Deutsch).
Bereits vor seiner Karriere als Superheld war Donald auch schon Geheimagent – sei es nun bei Barks in “Gefährliches Spiel” oder in diversen italienischen Geschichten. Seit 1966 bereits existiert der DGD oder auch DAD, für den er zunächst mit Daisy, dann später mit Dussel dafür sorgte, die Interessen seines Onkels zu schützen.
2007 gab es dann mit DoppelDuck noch eine Agentenserie, die deutlich erwachsener und ernsthafter daherkam, aber auch (vor allem in den ersten Missionen) davon lebt, dass Donald teils nur so durch die Fälle stolpert und mehr Glück als Verstand hat. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass es kaum etwas gibt, was Donald nicht bereits ausprobiert hat, und das meistens auf unterhaltsame Weise.
Bei den Autoren und Zeichnern, die für Egmont in Dänemark gearbeitet haben, ist Donald meistens etwas geerdeter geblieben; mit der Margarinefabrik (ursprünglich eine Fehlübersetzung, im englischen Original von “Der Weg zum Ruhm” schrieb Barks, dass Donald für eine Stinktierölfabrik arbeitete) bekam er sogar eine wiederkehrende Arbeit. Allerdings hatten auch die Autoren von Egmont Reiz an der Idee von Donald als Dussel als Agentenduo gefunden, weshalb die beiden ab den frühen 2000ern immer mal wieder im Dienst der O.M.A. gegen paranormale Bedrohungen kämpften.
Schaut man sich Donald Duck im Laufe der Jahre und in den Händen verschiedener Autoren (und Zeichner) an, so fällt schnell auf, wie unterschiedlich ein und dieselbe Figur doch charakterisiert werden kann, ohne dass sie dadurch automatisch “out of character” wirken würde. Mal mutig, mal feige, mal begabt, mal blöd, mal belesen, mal Kulturbanause. So ist es wohl auch die große Bandbreite dessen, was Donald Duck ausmacht, die ihm diese Langlebigkeit beschert hat.
Es gäbe noch so viel zu sagen zum Thema 90 Jahre Donald Duck, aber irgendwann ist auch die schönste Feier zu Ende, oder zumindest dieser Artikel. Wir wünschen dem eigentlich doch irgendwie glücklichen Pechvogel jedenfalls alles Gute und freuen uns schon auf die nächsten neunzig Jahre.