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Schnelllebigkeit und der Hunger nach Anerkennung 7
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Schnelllebigkeit und der Hunger nach Anerkennung


Unsere Welt verändert sich in Windeseile – und das ist kein Zufall. Jene meist marginale, aber doch konstant schnelle Veränderung verweilt allerdings nahezu immer auf der gleichen Ebene, ohne den Hauch einer gewissen Innovation anzudeuten. Die Fassade ist neu, doch alles andere bleibt alt und brüchig. Inmitten dieses Wandels steht Gen Z, eine Generation wie jede andere, doch mit umfassend neuen Möglichkeiten in Sachen Selbstdarstellung und sozialer Inszenierung.

Dieser Beitrag ist eine Kolumne. Die Meinungen entsprechen deshalb nicht der Comicschau oder dessen Redaktion, alle Kolumnen vom Autor finden sich auf dieser Seite.

Menschliche Interaktionen, nur anders

Da, wo es einst darum ging, zu zeigen, wer der krasseste am Bolzplatz ist, rücken weitaus andere Prioritäten wie Snapchat-Flammen, Instagram-Follower oder TikTok-Aufrufe in den Fokus. Das heilige Trio des digitalen Shitholes steht sinnbildlich für einiges, was in unserer Gesellschaft schiefläuft.


In vielen Aspekten zählt es als, mit jemanden im Kontakt bleiben, wenn man täglich Snaps auf Basis von Bildern ranziger Böden verschickt, wobei dahingehend natürlich auch die Instagram-Beiträge der jeweiligen Person gelikt werden müssen, aber nur in der Hoffnung, dass die jeweilige Person dank des altruistischen Handelns deinerseits selbst auf die Idee kommt, deine Beiträge genauso zu liken. Um dem die Krone aufzusetzen, werden sich noch TikToks der Person reingezogen, bei denen man sich dann fragt, warum die geile Persona am Bildschirm so gut tanzen könne oder warum sie so gut mithilfe von Filtern aussehe.

Mir ist so warm, die Sonne scheint

Vieles davon ist gewiss nicht echt, auch wenn Realness heutzutage ein wertvolles Schmuckstück einer jeden Persönlichkeit ist. Du musst real sein, um cool zu sein und bist du nicht real, bist du ein Versager, was dann halt so ist. Genauso ist es wichtig, dass es dir egal sein muss, was andere von dir denken. Du bist ein fehlerfreier Mensch und jede Note einer minimalen Anpassungsfähigkeit spiegelt eine Charakterschwäche wider, weil dann bist du ja nicht mehr real.

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Gezeigt wird die Sonnenseite eines jeden Leben und wenn deins nicht genauso schön ist, wie das, der Person mit dem verzerrten Außenbild, dann musst du einfach hart arbeiten und das richtige Mindset haben. Schaffst du das nicht, bist du halt ein Versager, schon wieder.


Was auch noch sehr wichtig ist, ist, dass du niemals wagst, dich zu öffnen, weil dann bist du kein Versager mehr, oh nein. Für jemanden wie dich findet man dann gar keine Worte mehr. Zum Glück bräunen wir uns allerdings auch noch im Spiegel der gefälschten Toleranz, weil bei manchen Menschen darfst du dich sogar ausnahmsweise mal öffnen, aber bitte nicht zu sehr, weil sonst bist du halt wieder ein weinerlicher Versager, der einfach zu schwach ist, ein gesundes Mindset hinzuklempnern, um seelenruhig ein leeres, oberflächliches Partyleben zu führen ohne einen Gedanken an einen vermeintlichen Lebenssinn zu verschwenden, solange dieser nicht ohnehin schon, reicher als Elon Musk zu werden ist.

Du bist nicht wie die, klar

Ich als absolut ernster und niemals verbitterter Autor bin ja logischerweise auch was Besseres, denn ich erkenne grundsätzliche Fehler und kritisiere diese in ironischer Form mittels klug klingender Worte, wozu die meisten Schlafschafe unserer hoch angepriesenen Gesellschaft keineswegs in der Lage sind.

Um es kurzzuhalten: Ich bin besonders, nein, wir alle sind besonders. Wir sind nicht wie die, wir sind selber das non plus ultra und wundern uns eigentlich, warum wir in unserem pubertären Eifer nicht als Richtwert in jeder noch so kleinlichen Studie genommen werden. Dieser Planet sollte uns zu Füßen liegen, was eigentlich eine bodenlose Frechheit darstellt, dass es nicht bereits so ist.


Manchmal muss man aber auch andere Perspektiven beleuchten und klar sagen, dass es nicht jedem so glücklich ergeht. Manche von uns sind beispielsweise hochgradig depressiv, weil sie sehen, was für ein perfektes und intaktes Leben andere Menschen führen oder weil sie so etwas wie Emotionen haben und noch nicht kalt genug sind, um vieles in diesem Riesenrad der Angst zu verkraften.

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Aber ganz ehrlich, scheiß auf die. Die sind egal. Sowas ist, wie vorhin bereits erläutert, ein Zeichen von Schwäche. Also sei anders, sei laut und wenn du es noch nicht bist, dann schrei einfach lauter, damit dich die ganze Welt hört. Selbst die Menschen hinterm Ozean müssen wissen, dass du existierst, und das ist auch gut so.

Nach dir sollte eine neue Gattung benannt werden

Da wir nun endlich wissen, dass du in keiner Hinsicht zu toppen bist und auch zu den Coolen gehörst (die anderen sind niemals so cool wie du), müssten wir eigentliche eine neue Menschengattung nach dir benennen. Dein genetischer Code sollte sich in jedem zukünftigen Abkömmling eines Menschen spiegeln und zum Glück arbeitest du ja schon hart dran, da du dich und deinen Körper fleißig verkaufst. Auch wenn wir uns am Ende der Tage in inzestuösen Verhältnissen befinden, ist das okay, denn die Habsburger waren nicht ohne Grund Ewigkeiten an der Spitze Europas.


Was?

Was hat das alles eigentlich mit Schnelllebigkeit und dem Hunger nach Anerkennung zu tun? Alles.

Auf der krampfhaften Suche nach Bestätigung verstellt man sich und richtet sich vollumfänglich nach seinem geistlich eingetrichterten Weltbild, bei welchem man jede Spur von Individualität, welche vom oberflächlichen, digitalen Goldstandard abweicht, infrage stellt – und das ist menschlich. Das ist Anpassungsfähigkeit, wenn auch meines Erachtens eine sehr verachtungswürdige Form der Anpassungsfähigkeit.

Vom kleinen, zurückhaltenden, netten Jungen oder Mädchen zum Messer schwingenden, rücksichtslosen Gangster, weiter dann zur selbstbewussten und stilsicheren Fashion-Ikone und ruchlosen und nimmer müde werdenden Arbeitstier. Am Ende unserer Tage sterben wir einsam und verbraucht mit 80 im Altersheim, insofern wir nicht schon mit 23 an einer Überdosis krepieren.


Orest

Ganz okay.

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