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Skandal um Phantomias! 3

Skandal um Phantomias!


(Update vom 29.5.2019, Entenhausen Extrem hatte Recht!)

(Update vom 18.6.2019, der Zeichner war falsch…)

50 Jahre ist es her, dass Paperino (Donald Duck) in Italien zu Paperinik (Phantomias) wurde; auf Deutsch feierte der maskierte Rächer sein Debüt im LTB erst sieben Jahre später 1976.


Nun kann man annehmen, dass sich die Redaktion dazu sicher tolle Dinge ausgedacht hat, oder? Hrmpf. Okay, das LTB Ultimate Phantomias liefert ja im Prinzip alle zwei Monate eine Ãœberdosis Phantomias. (Die älteste Story, die im Ultimate noch fehlt bzw. nicht anderswo nachgedruckt wurde und chronologisch eigentlich schon in Band 16-18 hätte erscheinen müssen, ist übrigens “Ein Fest für Phantomias”, das bei uns mit Phantomias’ 30. Geburtstag verknüpft wurde.) Und im LTB ist Phantomias doch eigentlich regelmäßig vertreten. Oder?

Tja, genau hier liegt der Hase leider im Pfeffer. Wenn man Phantomias’ Jubiläum im LTB feiern will, dann muss der Band auch eben mehr als nur die eine obligatorische Phantomiasgeschichte enthalten. Ansonsten ist das Jubiläum ja überhaupt nicht richtig gewürdigt. Bei Micky hat es doch Ende 2018 auch funktioniert, wieso dann nicht mit Phantomias?

Wir warten im deutschsprachigen Raum immerhin auch schon über zwei Jahre auf die Fortsetzung der “Legende des 1. Phantomias”. Donalds Vorgänger im Geiste, der adlige Gentleman-Dieb (italienischer Originalname: Fantomius), wurde von Marco Gervasio in Italien munter weiterentwickelt. Die Zahl der unveröffentlichten Fantomius-Geschichten beläuft sich mittlerweile schon auf elf (plus zwei Einseiter). Obwohl die Serie zwei Mal Cover-Ehren bekam, scheint man sie mittlerweile überhaupt nicht mehr im LTB haben zu wollen. Oder wie kann man diese schon viel zu lange Sendepause erklären? Wäre nicht das Jubiläum der ideale Moment gewesen, die Serie wieder einzuführen? Immerhin steckt ein Großteil der “Martina’schen Fakten”, auf die Gervasio sich beruft, in dieser ersten Geschichte von 1967.


Aber selbst in puncto “klassischer Phantomias” herrscht Mangelware. Der Held hat zwar zwei Auftritte, aber einer stammt aus Dänemark! Zwar ist der Zeichner Andrea Freccero, aber der hat ja schon einige ziemlich beknackte Egmont-Comics umsetzen dürfen (“Der Wahn im Wasser” sei als abschreckende Negativbeispiele genannt). Phantomias ist eine italienische Erfindung, die von den dänischen Autoren nie richtig verstanden wurde. Seit vielen Jahren ist der offizielle englische Name der Figur “Duck Avenger”, ein Name, in dem vor allem Phantomias’ ursprüngliche Facette als Rächer steckt. Egmont-intern wird jedoch nach wie vor absolut stumpfsinnig von “Superduck” gesprochen. Als offizieller Name wäre das nie durchgegangen. Einmal weil er tatsächlich schon ein eingetragenes Nicht-Disney-Trademark ist, aber vor allem weil es überhaupt nicht passt. Donald-Phantomias hat keine Superkräfte, er ist ein sehr menschlicher Held, selbst in der modernen Form (PKNA). Leider merkt man diesen Widerspruch in fast allen dänischen Phantomiasgeschichten, deren Charakterzeichnung einfach nicht passt. Nicht zuletzt werden im Ultimate ausschließlich italienische Geschichten abgedruckt, obwohl neben den Dänen auch die Brasilianer und Franzosen viele Comics mit der Figur produziert haben. Alleine das sagt schon einiges darüber, dass zumindest die deutsche Reducktion den italienischen als den “wahren” Phantomias ansieht. Trotzdem kommt er in LTB 521 nicht so recht zum Zug.

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Nun ist der Autor der Jubiläumsgeschichte auch noch ausgerechnet Andreas Pihl, der 2005 die Ehre hatte, den dänischen “Kaschperlphantomias” ins LTB einzuführen. Obwohl er damals bei “Das Vermächtnis” versucht hat, an die Einführungsgeschichte von 1967 anzuschließen (natürlich ohne die italienischen Fortsetzungen wie “Kampf um die Villa Rosa” zu berücksichtigen), war das Ergebnis eine Vollkatastrophe und die Fortsetzungen bis auf wenige lichte Momente (das von Fecchi gezeichnete “Ireyons Geheimnis”) mindestens ebenso schlimm. Vor allem störte es in einem fort, dass die Autoren den italienischen Fakten in einer Weise widersprachen, die sie sich z.B. in Bezug auf Barks nie getraut hätten. Sei es nun der ominöse multifunktionale Kampfhandschuh, die Tatsache, dass der “erste” Phantomias immer noch am Leben (und ein ziemlich irrer und abstoßender Charakter) ist, oder dass seine damalige Partnerin keine Ente mit Fuchskostüm, sondern eine unsterbliche Fuchsdame war… alles Dinge, die überhaupt nicht zu einer fast vierzig Jahre alten Tradition und damals bereits über 300 italienischen Phantomiascomics passen.

Zwar hat Peter Höpfner zur großen Freude vieler LTB-Leser bereits 2006 die Einstellung dieser “Reihe” verkündet, aber vor einigen Jahren wurden die D-Code-Phantomiasse sozusagen “durch die Hintertür” wieder eingeführt. Das Verhalten der Figuren ist zwar abgemildert, aber auch diesen neuen Comics haftet oft etwas Groteskes, Lächerliches an (riesige Alienschnecken, sprechendes Geflügel, körperlose Göttinnen und so weiter). Sogar die fehlgeleitete Interpretation des ersten Phantomias wurde ausgerechnet vom sonst eigentlich recht stilsicheren Byron Erickson in LTB 511 wieder ausgegraben. Ist das der Grund, weshalb Marco Gervasios wunderbare Serie rund um den “echten” Urphantomias nicht mehr bei uns stattfinden darf?! Wenn ja: <zensiert>. Und angesichts einer Geschichte wie “Am anderen Ende des Universums” (Micky Maus Comics 43), der es völlig an Sinn und Inhalt fehlt, zweifele ich ernsthaft daran, wie man ausgerechnet Herrn Pihl beauftragen kann, eine Jubiläumsgeschichte für Phantomias zu schreiben. Auch wenn ich “Finsternis über Sunny Island” (LTB 495) gar nicht so schlecht wie viele andere Leser fand, aber mit Phantomias hat die Geschichte ja auch recht wenig zu tun.


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Mir wäre es lieber gewesen, zwei gute italienische Storys auszuwählen. Es sind ja auch viele unveröffentlichte Geschichten ab 1996 im Ultimate übersprungen worden, weil ja pro Band immer nur eine Erstveröffentlichung enthalten ist. Ein Beispiel wäre “Paperinik e il duello di magia”, die Fortsetzung zu “Der durchgeknallte Doppelgänger” (LTB 349) und von einem der besten Phantomiaszeichner, Lucio Leoni umgesetzt. Die Reihe rund um Dona Dolores de Dolares y Pesetas fand ich bislang ganz nett, insofern will ich nicht von einem Totalausfall sprechen, aber da wäre doch etwas mehr dringewesen.

Selbst der Einseiter von Massimo De Vita, in dem Supergoof Phantomias gratuliert, wäre schön passend gewesen, fällt aber durch seine Abwesenheit auf. Obwohl ein weiterer Einseiter aus demselben Topolino, von demselben Team in LTB 520 auftaucht, was ja eine schöne Verbindung der zwei Bände über Cover/Egmont-Story hinweg gewesen wäre. Auch der zweite DoppelDuck-Einseiter hätte besser gepasst. Stattdessen gibt es einen austauschbaren Dussel-Einseiter. Haarsträubend. Warum bloß? Ich verstehe es einfach nicht… Immerhin gibt es noch einen Hardcover-Band von der Egmont Comic Collection, aber auch da bin ich mittlerweile recht skeptisch geworden.

Und auch der “neue” Phantomias macht momentan Pause im Premium. Nicht dass ich mich nicht auf das (vorläufige) Finale von Micky X am 4. Juni freuen würde, aber der nächste PKNA-Band kommt erst am 30. August, also auch nicht mehr rund um das Phantomias-Jubiläum. Schlechte Planung? Ich denke schon!


(Einen Monat später wiederum erscheint Ultimate 29, mit einem grandiosen Cover von Lorenzo Pastrovicchio… das aber nicht den klassischen, sondern den neuen Phantomias zeigt und zur Geschichte “Il raggio nero” gehört, die wohl irgendwann das 73. Kapitel im Premium sein wird. Zur Erinnerung: Premium 20 endete mit Kapitel 45. Ultimate 29 ist nach den Bänden 21 und 25 schon das dritte Cover, das eindeutig dem PKNA-Universum zugerechnet werden kann und sich auf eine konkrete, bei uns noch unveröffentlichte Geschichte bezieht. Ich verstehe es nicht wirklich.)

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Spectaculus

Ich lese Comics, seit ich denken kann - oder vielleicht sogar noch länger.
Ansonsten bin ich ein großer Musikfan und mache mir ständig Gedanken über alles und jeden.

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